Washington - Selbst die Grünen gehen in den USA mit einem mehrfachen Millionär ins Rennen um das Weiße Haus. Dank seiner Anlagen in Technologieaktien ist der Verbraucheranwalt Ralph Nader mindestens 3,8 Mill. Dollar "schwer". Er wurde als Präsidentschaftskandidat der Umweltpartei auf einem Kongress in Denver (Colorado) nominiert.
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Es handelt sich um einen ganz ungewöhnlichen Millionär: Der Junggeselle lebt in einer Mietwohnung, besitzt kein Auto und kommt mit 25.000 Dollar im Jahr zum Leben aus. Rednerhonorare von 200.000 bis 300.000 Dollar steckt der Vegetarier nach eigenen Angaben größtenteils in seine Verbraucherorganisation.
Um Geld geht es ihm aber nicht, wie der asketisch wirkende Mann glaubhaft versichert. Es ist sein Ruf als unnachsichtiger Kritiker der Industrie, der ihn - zum zweiten Mal seit 1996 - zum Favoriten der Grünen machte. 35 Jahre lang dauert nun schon sein Feldzug gegen den Einfluss großer Konzerne. 1965 wurde der an den Eliteuniversitäten Princeton und Harvard ausgebildete Jurist mit einem Schlag berühmt, als er der Autoindustrie, letztlich erfolgreich, die Herstellung unsicherer Fahrzeuge vorwarf.
Vor vier Jahren eroberte Nader bei der Präsidentenwahl nur etwa ein Prozent der Stimmen. Aber er hatte halbherzig kandidiert, ließ sich kaum als Wahlkämpfer sehen und gab lediglich 5.000 Dollar aus. Diesmal hat er schon vor der Nominierung alle 50 Bundesstaaten besucht, besitzt einen Stab von 30 Mitarbeitern und einen Millionenetat.
Fünf Prozent der Wählerstimmen hofft er zu gewinnen. Das würde einen Durchbruch für die Grünen bedeuten, deren Erfolge sich in den USA bisher auf die lokale und regionale Ebene beschränken. Sie würden bei der nächsten Wahl öffentliche Wahlkampfzuschüsse erhalten.
In diesem Jahr hat neben den etablierten Parteien, Demokraten und Republikanern, nur die von dem Milliardär Ross Perot gegründete Reformpartei Anspruch darauf. Über zwölf Millionen Dollar wird deren mutmaßlicher Kandidat, der erzkonservative Publizist Patrick Buchanan, verfügen können.
Zu einer "nationalen Macht" werden Nader und die Grünen selbst dann nicht werden, wenn sich alle Hoffnungen erfüllen. Der "Sachwalter des Kleinen Mannes" wird aber längst nicht mehr als eine Randerscheinung aus dem linken Spektrum belächelt.
Im Lager Al Gores macht man sich ernste Sorgen, dass er dem demokratischen Präsidentschaftsbewerber in dem erwarteten harten Kampf gegen den Republikaner George Bush am 7. November entscheidende Stimmen abnehmen könnte. Vor allem aus dem Kreis der Gewerkschaften, die mit der Freihandelspolitik Gores hadern, droht ein Abdriften von Protestwählern. In bedeutenden Staaten wie Kalifornien, Ohio und Michigan könnte Nader zum Zünglein an der Waage werden.