Würde in Österreich auch nur annähernd so leidenschaftlich über problematische Gesetzesmaterien diskutiert und berichtet werden wie darüber, ob sich Kanzler und Vize wieder einmal beim Ministerrat zugelächelt oder kleine Gemeinheiten an den Kopf geworfen haben - die Qualität der politischen Arbeit wäre zweifellos um ein Vielfaches höher. Dem ist aber nicht so.
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Umso bemerkenswerter, was sich am Donnerstag im Hohen Haus zugetragen hat: Statt stur die Augen vor berechtigter Kritik zu verschließen und das heftig umstrittene Terrorismus-Präventionsgesetz durch den Justizausschuss am 1. Juli zu peitschen, haben sich die Parteien darauf geeinigt, das Tempo herauszunehmen und die Materie noch einmal gründlich durchzudenken. Das ist nicht selbstverständlich in der Politik, schon gar nicht in der österreichischen. Allerdings mussten die Regierungsparteien, allen voran die ÖVP und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, zu diesem Glück gezwungen werden.
Die Materie, um die es in dem Gesetz geht, ist hochsensibel: Die Furcht vor Terrorattacken ist seit dem 11. September 2001 in sämtlichen westlichen Gesellschaften allgegenwärtig. Vor allem der Islam steht seitdem unter ständiger Beobachtung.
Die Gefahren, die dadurch für Leib und Leben der Bürger ausgehen, sind real, das bestätigen Geheimdienste und Staatsschützer in ihren laufenden Berichten. Dennoch wird mit dem latenten Bedrohungsgefühl der Menschen auch ein politisches Spiel gespielt. Von Medien wie Parteien gleichermaßen.
Das Parlament muss beim Anti-Terrorgesetz eine schwierige Balance bewältigen: Der Staat braucht zum Schutz der Bürger eine effiziente Handhabe gegen Terroristen und solche, die es zu werden beabsichtigen. Diesem legitimen Interesse stehen die Freiheitsrechte eines liberalen Rechtsstaats gegenüber. Dem vorliegenden Gesetzesentwurf ist dieser Spagat nicht beziehungsweise nur auf Kosten der Freiheitsrechte gelungen.
Die Legisten der Exekutive bevorzugten eine gewissen Unschärfe bei der Definition von Delikten. Es darf nicht sein, dass Bürger ohne böse Absicht und ohne ihr Wissen ins Ermittlungsvisier der Staatsmacht gelangen. Bei der Frage nach dem, was erlaubt und was verboten ist, darf es keine diffusen Grenzen, schon gar keinen Ermessensspielraum der Behörden geben.
Hier rächt sich einmal mehr, dass das Parlament über keinen eigenständigen Expertenapparat verfügt, der der Definitionsmacht der Ministerien im Gesetzgebungsprozess zumindest etwas annähernd Gleichwertiges entgegensetzen kann. So müssen solche Stoppaktionen wie nun beim Anti-Terrorgesetz zwangsläufig die Ausnahme bleiben. Das ist nicht nur schade, sondern auch schlecht für die Qualität unserer Gesetze und unserer Demokratie.
Siehe auch:Anti-Terrorgesetz muss noch warten