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Rasch abrüsten - politisch!

Von Engelbert Washietl

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Die Bundesheer-Reform hat keine Chance mehr. | Würde sie gewaltsam durchgezogen, wäre das eine nationale Katastrophe.


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Das Debakel um die Abschaffung der Wehrpflicht und die von Verteidigungsminister Norbert Darabos präsentierten Lösungsvarianten sind mittlerweile so peinlich, dass selbst reformfreudige Menschen ausrufen müssten: Stoppt die Reformer.

Natürlich richtet sich der Appell in erster Linie an den Verteidigungsminister. Er ist der politisch Verantwortliche, der wie ein enthusiastischer Heerführer "Vorwärts!" ruft und vorwärts stürmt, als hätte er Truppen hinter sich. Dort ist aber niemand, nicht einmal der Bundespräsident und bei genauerem Hinsehen auch nicht die SPÖ und schon gar nicht der Koalitionspartner ÖVP, sondern maximal die Boulevardzeitung "Krone". Sie hatte, wie in der "Wiener Zeitung" am 13. Juli vorigen Jahres zu lesen war, mit dem Aufmachertitel "Volksbegehren gegen Wehrpflicht" erstmals ins Horn gestoßen und seither Kurs gehalten.

Die Geschwindigkeit, mit der Parteien und einzelne Politiker hingegen in Grundsatzfragen die Seiten wechseln, erinnert eher an einen Swinger-Klub als an eine Versammlung von Verantwortungsträgern.

Auf dieser Bühne ist Norbert Darabos lediglich der unentbehrliche, letztlich aber unwichtige Darsteller des Unglücks. Er löffelt begeistert Suppen aus. Diese Rolle war ihm gleich zu Beginn seiner Laufbahn als Verteidigungsminister mit der Begrüßung der um sinnlose Milliarden angekauften Eurofighter aufgedrängt worden. Jetzt tritt er auf Grund von unverbindlichen Zurufen des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl und des Bundeskanzlers Werner Faymann eine Lawine los, ohne zu merken, dass auch sein Standort dort ist, wohin die elementare Masse rollt.

Das Bundesheer ist eine einbalsamierte Leiche. Die Verantwortung tragen ein paar Generationen von Politikern, die sich seit 1955 um jede Grundsatzentscheidung drückten. Nur der Inselstaat Irland wendet für Verteidigungszwecke mit 0,6 Prozent des BIP weniger Geld auf als Österreich, das auf 0,7 Prozent beziehungsweise zwei Milliarden Euro kommt. Hier werden Kasernen verkauft, Panzer verschrottet und die De-facto-Mannschaftsstärken verringert - erstens weil das Geld fehlt und zweitens weil es kein Konzept gibt, wofür das Bundesheer nötig ist.

Man merkt dies an denen, die plötzlich für die Beibehaltung der Wehrpflicht plädieren: Es sind diejenigen, denen 13.000 billige Zivildiener im Gesundheitsdienst, die Schneeschaufler und Sandsäcke-Schupfer bei Naturkatastrophen in Gemeinden und die Grenzwächter zur psychologischen Beruhigung der Burgenländer fehlen würden. Dazu braucht man aber kein Heer, das überschalltaugliche Abfangjäger, 3000 Offiziere und 10.000 Unteroffiziere hat.

Ein derartiges Heer reformieren zu wollen, ist unmöglich, solange die Politiker nicht darlegen, was sie unter "militärischer Landesverteidigung" verstehen. Die politische Psychose, die derzeit Richtung Abschaffung der Wehrpflicht treibt, entbehrt jeglicher rationalen Grundlage. Das gilt leider für alle Reformvarianten - die Reformer haben beim falschen Ende angefangen.

Das erste Opfer der unkoordiniert ausgebrochenen Änderungswut, Generalstabschefs Edmund Entacher, hat das Dilemma am klarsten formuliert: Würde das bestehende System zerschlagen, gäbe es "kein Zurück mehr". Der einzige Amtsträger, dem dies sehr wohl bewusst ist, scheint Bundespräsident Heinz Fischer zu sein.

Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".