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Rasch mehr Geld für Euro-Schirm

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv
Nachdenklich: Zentralbankchef Jean-Claude Trichet und Eurogruppen-Boss Jean-Claude Juncker. Foto: reu

Länder mit bester Bonität müssen noch stärker haften. | Rettungsschirm darf doch Anleihen kaufen. | Brüssel. Schritt für Schritt arbeitet sich die EU an ein Gesamtpaket zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung und den Ausweg aus der Schuldenkrise heran. So wollten die EU-Finanzminister bereits, heute, Dienstag ihre vorläufige Einigung auf einen verschärften Euro-Stabilitätspakt bekannt geben. Finalisiert werden sollte die Position am späten Montagabend im Kreis der Eurozonen-Minister; die Chancen stünden gut, hieß es in Diplomatenkreisen.


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Zweites großes Thema waren die Eurorettungsschirme, bei deren Ausarbeitung es zwei überraschende Wendungen gab. Fertig soll das Paket bis zum nächsten EU-Gipfel am 24. sein. Und am 25. März geschnürt werden.

Bereits am Montag zeichnete sich ab, dass die Länder mit besserer Bonität wohl die Aufstockung des aktuellen Rettungsschirms namens "European Financial Stability Facility" (EFSF) schultern müssen. Dagegen hatten sich der österreichische Finanzminister Josef Pröll und sein deutscher Kollege Wolfgang Schäuble bis vor kurzem entschieden gewehrt. Jetzt bestätigte Pröll, dass die vom Nationalrat genehmigte heimische Haftungssumme von 15 Milliarden Euro auf 25 erhöht werden müsse. Effektiv haftet Österreich momentan für höchstens 12,5 Milliarden Euro, geplant ist daher eine Verdoppelung.

Anleihenkäufe sind nur aus erster Hand möglich

Der ab Mitte 2013 geplante "European Stability Mechanism" (ESM) soll aus einer Mischung aus eigenem Kapital, Kreditlinien und Garantien zusammengesetzt werden. Sein Umfang soll tatsächlich verfügbare 500 Milliarden Euro betragen. Überraschung Nummer zwei: Beide Rettungsschirme dürfen künftig "ausnahmsweise" Anleihen von schwankenden Euroländern kaufen, wenn diese erstmals begeben werden.

Verpflichtet sich ein Land mit ernsthaften Liquiditätsproblemen zu strikten Sparprogrammen und Strukturreformen, könnten sich die EFSF oder der ESM de facto aussuchen, ob sie dem Land Kredite geben oder dessen Anleihen kaufen, meinte ein Experte. Letzteres könnte etwa sinnvoll sein, wenn ein Land demnächst wieder auf den Kapitalmarkt zurückkehren wolle. Ausgeschlossen bleibt ein Anleihenkauf auf dem Sekundärmarkt - und damit auch die Übernahme von Anleihen von bedrängten Euroländern, die bisher die Europäische Zentralbank in großen Stil aufgekauft hat.

Wie berichtet, soll der EFSF jene 440 Milliarden Euro, über die er nominell verfügt, auch tatsächlich verleihen können. Weil nur sechs EU-Länder über die beste Bonitätsbewertung Triple-A verfügen, verlangten die Ratingagenturen für die Bestnote der EFSF-Papiere nämlich eine Überdeckung und Bargeldpuffer. Der tatsächlich verfügbare Betrag reduzierte sich daher auf gut 250 Milliarden Euro. Bis zum EU-Gipfel Ende März soll die faktische Aufstockung auf 440 Milliarden Euro unter Dach und Fach sein. Dafür müssten Pröll und Bundeskanzler Werner Faymann die Haftungserhöhung noch durch den Nationalrat bringen.

Zudem sollen die Kredite der EFSF für Euroländer in Gefahr künftig günstiger werden. Einen Beginn hatten die Staats- und Regierungschefs bereits mit einem Zinsnachlass um einen Prozentpunkt für das Rettungspaket für Griechenland gemacht, das noch vor der Etablierung des EFSF durch bilaterale Hilfen aufgefangen worden war. Zudem wurden die Kredite für die Griechen (entsprechend der Regelung für Irland) auf 7,5 Jahre gestreckt.

"Pakt für den Euro" bleibt völlig frei von Sanktionen

Bekanntgegeben werden soll heute, Dienstag, die vorläufige Einigung auf einen verschärften Euro-Stabilitätspakt. Der verpflichtet Mitgliedstaaten, ihre Haushaltsdefizite unter 3 und ihre Schulden unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu halten. Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise sind die Defizite arg aus dem Ruder gelaufen; künftig sollen die Staatsschulden daher pro Jahr um fünf Prozent gesenkt werden, wenn die Schulden (wie in fast allen Euroländern) über 60 Prozent des BIP liegen.

Alle 27 Staats- und Regierungschefs sollen beim Gipfel Ende März auch den "Pakt für den Euro" zur stärkeren wirtschaftspolitischen Koordinierung der Euroländer absegnen. Dieser verfügt nicht einmal theoretisch über einen Sanktionsmechanismus.