Maßnahmen zum Klimaschutz bleiben hinter Klimastrategie der Koalition zurück. | 200 Millionen Klimaflüchtlinge im Jahr 2050? | Forscherin: Globale Destabilisierung zu befürchten. | "Wiener Zeitung": Am Donnerstag lädt die Regierung zum zweiten Klimaschutzgipfel. Sie selbst werden auch mit dabei sein. Was erwarten Sie sich von diesem Event?
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Helga Kromp-Kolb: Soll ich jetzt Optimismus versprühen oder realistisch sein? Im Ernst: Ich erwarte mir, dass am Donnerstag der Auftakt zu Maßnahmen im Sinne des Klimaschutzes erfolgt, die weit über diejenigen hinausgehen, die bisher gesetzt wurden.
In Sachen Klimaschutz ist bisher gar nichts geschehen?
Gar nichts möchte ich nicht sagen, aber was gemacht wurde, reicht bei weitem nicht aus. Es gab zwar punktuelle Maßnahmen, aber die zogen sich nicht konsequent durch sämtliche Politikbereiche und sie blieben auch weit hinter der von der Regierung selbst beschlossenen Klimastrategie zurück.
Umweltminister Josef Pröll fordert für sein Ministerium ein Durchgriffsrecht in punkto Klimaschutz, um die zersplitterten Kompetenzen in diesem Bereich zu bündeln. Eine sinnvolle Maßnahme?
Wie auch immer dieses Problem gelöst wird, es soll mir recht sein. Entscheidend ist, dass der Ball nicht länger zwischen Bund und Ländern oder zwischen den verschiedenen Ministerien hin- und hergeschoben werden darf. Wenn nun per Gesetz genau festgelegt werden soll, wer für was konkret zuständig ist, und diese Verantwortung auch mit Sanktionsdrohungen eingefordert wird, könnte das ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Statt gemeinsam an einem Strang zu ziehen, erschöpft sich die Regierung häufig in Grabenkämpfen über Zuständigkeiten. Vor allem der Zugriff auf den gut dotierten Klimaschutzfonds ist zwischen Pröll und dem Klimaschutzbeauftragen des Kanzlers, Andreas Wabl, heftig umstritten. Was sagen Sie zu solchen Hahnenkämpfen?
Das entscheidende Kriterium für Maßnahmen sollte deren Wirksamkeit sein, alles andere ist zweitrangig.
Stichwort Biosprit: Kritiker machen die massiv gestiegene Nachfrage im Westen für die weltweit rasant steigenden Lebensmittelpreise verantwortlich, die in einigen Ländern der Dritten Welt sogar zu politischen Unruhen geführt haben. Sie auch?
Ja, das halte ich für sehr gut möglich, auch wenn es wohl noch einige andere Faktoren gibt, wie etwa die Möglichkeit, dass mit solchen Produkten jetzt auch spekuliert werden kann. Aber die Probleme mit Biosprit sind ein gutes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man sich statt auf eine ganzheitliche nachhaltige Lösung nur auf einzelne Aspekte konzentriert. Man muss sich auch die Energie- und die Treibhausgasbilanz anschauen und nicht nur die Kosten im Auge behalten. Wenn man wirklich alle Faktoren berücksichtigt, bin ich überzeugt, dass die Konkurrenz zwischen Lebensmittel- und Biospritproduktion wegfällt. Das Grundproblem ist: Wir denken immer nur daran, wo wir Energie herbekommen, statt daran, wo wir Energie einsparen können. Wir brauchen aber gar nicht diese riesigen Mengen an Energie, die wir unbedingt glauben, haben zu müssen.
Glauben Sie wirklich, dass sich die Länder die Verfügungsgewalt über die Milliarden Euro schwere Wohnbauförderung nehmen lassen?
Der Streit um diese Mittel verkennt eine Tatsache: Wir laufen in eine Welt, die sich grundlegend verändern wird. Es wäre fahrlässig zu glauben, dass alles so weitergeht wie bisher. Es gibt Studien, die von rund 200 Millionen Klimaflüchtlingen im Jahr 2050 ausgehen. Aber niemand beschäftigt sich mit der Frage, wo diese Menschen hingehen sollen. Das wird logischerweise zu enormen sozialen Spannungen führen, die wiederum eine globale Destabilisierung zur Folgen haben können. Deshalb liegt für mich die Notwendigkeit, in Klimaschutzfragen rasch und entschieden zu handeln, auf der Hand.
Es mehren sich die Stimmen, die vor einem hysterischen Öko-Alarmismus warnen. Immerhin haben sich zahlreiche Horrorszenarien - vom Baumsterben über das baldige Ende der Ölvorkommen - nicht bewahrheitet.
Es stimmt, dass das Waldsterben zurückgegangen ist, aber nicht von alleine. Wir haben unsere Emissionen um 80 Prozent gesenkt, bei der Luftreinhaltung ist vor allem in Europa sehr viel geschehen. Und es gab natürlich sehr radikale gesetzliche Maßnahmen, etwa im Bereich der Schadstoffemissionen von Autos und Industrie.
Was die Energieknappheit angeht, so sind wir überhaupt nicht über den Berg. Grundsätzlich muss man aber unterscheiden zwischen Szenarien, die Wissenschafter unter Fortschreibung der bestehenden Rahmenbedingungen entwerfen, und der Möglichkeit, die Entwicklung durch den Beschluss neuer Rahmenbedingungen zu beeinflussen. Wenn das jetzt geschieht, können die Menschen vielleicht im Jahr 2100 auch sagen, damals handelte es sich um reinen Öko-Alarmismus. Ich hätte nichts dagegen, nur müssten wir jetzt handeln.