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Solvit ist kaum bekannt, löst 90 Prozent der Fälle gütlich. | Bürger nutzen EU-Dienst mehr als Unternehmen. | Brüssel. Der Binnenmarkt bringt Unternehmen und EU-Bürgern erhebliche Vorteile, sobald sie grenzüberschreitenden Handel betreiben, in einem EU-Land abseits der Heimat leben, studieren und/oder arbeiten wollen. Doch die Durchsetzung der EU-Rechte ist nicht immer einfach, manchmal gibt es Hürden für den freien Personen-, Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr. Und die gerichtliche Durchsetzung ist oft langwierig.
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Dabei kann häufig einfach und unkompliziert geholfen werden, nämlich bei Solvit, der EU-Schlichtungsstelle für den Binnenmarkt. Sie hat 2010 mehr als 1200 Streitfälle in durchschnittlich weniger als zehn Wochen gütlich lösen können. Das sind etwa 90 Prozent der 1363 Anfragen, wie es im gestern, Montag, vorgestellten Jahresbericht heißt.
Diese Zahl ist gegenüber dem Jahr davor mit 1540 Schlichtungen deutlich zurückgegangen; das Erfolgsmodell bleibt der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, obwohl es 2012 das zehnte Jahr seines Bestehens feiert. Interessant ist, dass weniger als 200 Anfragen von Unternehmen kamen, der Rest von Einzelpersonen.
Hilfe innerhalb von wenigen Wochen
An der Effektivität der Schlichtungsstellen dürften die spärlichen Anfragen jedoch nicht liegen. Im jüngsten Jahresbericht sind auch wieder zahlreiche erfolgreich behandelte Österreich-Fälle angeführt: So blieb einer österreichischen Studentin während ihres Aufenthalts in den Niederlanden eine kostspielige Vorkasse für eine Operation erspart. Innerhalb von acht Wochen konnten die Solvit-Experten das niederländische Krankenhaus davon überzeugen, dass die Österreicherin im Binnenmarkt denselben Abrechnungsmodalitäten unterliegt wie die Niederländer selbst. Am Ende ging die Rechnung an die heimische Sozialversicherung.
Binnen zwei Tagen wurde einem österreichischen Arbeitslosen geholfen, der in Frankreich auf Jobsuche war, dort weiter das Arbeitslosengeld zu erhalten. Bis eine slowakische Mutter, die in Österreich Sozialversicherung bezahlt hatte, ihr Kindergeld auch in die Slowakei überwiesen bekam, brauchte Solvit fünf Wochen.
Einen italienischen Exporteur, der sich beharrlich sträubte, einem österreichischen Importeur die vorgeschriebenen Ursprungzertifikate für seine Waren mitzuschicken, brachten die EU-Mediatoren binnen acht Wochen auf Linie.
Barnier: "Facebook für die Verwaltung"
Und Solvit hilft auch dann, wenn es noch kein Problem, sondern bloß Fragen zum Funktionieren des Binnenmarktes gibt. Gut 12.000 Rechtsauskünfte erteilten die Fachjuristen des Dienstes im Vorjahr binnen einer Woche. Zusätzlich verwies Binnenmarktkommissar Michel Barnier auf die immer intensivere Nutzung des so genannten Internal Market Information System (IMI), über das Verwaltungsbehörden der Mitgliedsstaaten direkt miteinander in Verbindung stehen und rasch und unkompliziert nationale Vorschriften abgleichen können. Es handle sich zunehmend um das "Facebook für die Verwaltung", so Barnier.