Sie sind ein oft jahrelanger Albtraum für die Betroffenen - in Österreich hochgerechnet 150.000, aber die Dunkelziffer ist naturgemäß weit höher - und ein Leiden, das Ärzte wie Pflegepersonal zur Verzweiflung treibt: offene Unterschenkelgeschwüre vom Typ Ulcus cruris. Schätzungen zufolge laboriert ein Drittel aller Menschen zwischen 60 und 80 Jahren hier zu Lande an dieser hartnäckigen Wundheilungsstörung. Doch nun sorgt eine neue, klinisch erprobte Behandlungsmethode erstmals für eine optimistischere Sicht auf Heilung.
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Primaria Univ.-Prof. Dr. Beatrix Volc-Platzer, Vorstand der Abteilung für Dermatologie im Wiener Donauspital: "Beim Ulcus cruris sprechen wir von einem Krankheitsbild, das eigentlich ein Symptom ist. Rund 80 Prozent der Fälle liegt eine sogenannte CVI, also eine chronisch venöse Insuffizienz, zugrunde. Die Folge einer Venenklappeninsuffizienz - besser bekannt als Krampfadern -, bei der es zu Rückflussstörungen im venösen System kommt. Rund 15 Prozent sind in arteriellen bzw. kombinierten Blutflussstörungen begründet, der Rest entfällt andere Erkrankungen und eine wichtige Sonderform des Ulcus cruris ist der ´Diabetische Fuß´."
Die Grunderkrankung verläuft über Jahre. Der nachfolgende Lymphstau ist die Basis für eine lokale Stoffwechselsituation, die den Nährboden für das Ulcus darstellt und die Gewebefunktion massiv beeinträchtigt. Volc-Platzer: "Oft kommt es dann schon nach einem Minimaltrauma zu einer Wunde, die nicht mehr heilt, sondern sich im Gegenteil ausbreitet."
Typisch dafür seien komplizierende Infektionen mit Keimen wie Pseudomonas aeruginosa - "das ist ein opportunistischer Keim, der dem Gesunden nichts ausmacht" - oder andere wie, am häufigsten, Staphylo- und Enterekokken.
Sogenannte lokal-topische Maßnahmen in Form von Salben, Lösungen etc. waren bisher, zuzüglich zum Kompressionsverband, die übliche Behandlungsform. Die freilich nicht unbedingt zum Erfolg führte. Einerseits, so die Fachärztin, komme die überwiegende Mehrheit der Betroffenen erst zur Therapie, wenn die offene Wunde schon seit Wochen oder Monaten bestehe. Andererseits fehle es just diesen Patienten an Kooperationsbereitschaft bei der mühsamen, monatelangen Behandlung.
Volc-Platzer: "Es handelt sich um Menschen, die ihrem Körper oder besser Teilen ihres Körperschemas mit einer schwer zu überwindenden Gleichgültigkeit gegenüber stehen. Und da ihnen die natürliche Sorge um die Körperintegrität fehlt, ergibt sich daraus das schwerwiegendste Behandlungsproblem." Zusätzliche Probleme ergäben sich auch aus der extremen Therapiedauer, die belastend und zermürbend sei - bei in der Folge hohen Behandlungskosten in therapeutischer wie personeller Hinsicht mit vielen Kontrollen und intensivem Zeitaufwand.
Dr. Philipp Feuerstein, Oberarzt an der Abteilung für Dermatologie im Donauspital über die therapeutischen Probleme: "So gut wie alle topisch anwendbaren Substanzen können zu lokalen Reizungen, aber auch zu Irritationen der umliegenden Hautareale führen und weichen zusätzlich die Wundränder auf. Häufig kommt es auch durch die ungünstige Versorgungslage der betroffenen Hautareale zu sogenannten Superinfektionen. Darunter versteht man eine Besiedelung der Wunde mit pathogenen Keimen. Stellt das Beingeschwür als chronische Wunde schon grundsätzlich eine schwer behandelbare Krankheit dar, so wird die Situation dadurch noch zusätzlich verschärft."
Wirksame Silberauflage
Die Ärzte an der Ulcus-Ambulanz des Donauspitals waren daher an der klinischen Erprobung eines neuen Produkts, nämlich der Silberauflage Acticoat®, hoch interessiert. Das Ergebnis laut Feuerstein: "Es kommt dadurch weder im Wundbereich noch am Rande der Wunde zu Irritationen. Wir konnten subjektiv eine deutlich verbesserte und beschleunigte Wundreinigung beobachten, auch Entzündungen der Wundumgebung werden seltener. Die Wundauflage selbst zeigte eine hohe antibakterielle Aktivität mit einer entsprechenden Keimverminderung. Im Vergleich zu anderen lokalen Maßnahmen traten geringere bzw. keine Nebenwirkungen auf, wodurch auch ein rascherer Heilungsprozess erfolgte."
Diese ersten - auf rein klinischer Basis beobachteten - Erfolge, so Feuerstein, "lassen darauf schließen, dass es sich hier um einen viel versprechenden Ansatz handelt, mit gutem Erfolg bei rascherer Heilungsdauer Beingeschwüre zu behandeln".