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Steigende Zahlen von rassistischen Beleidigungen durch Lehrer.
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Wien. "Die weißen Leute sollen nicht so nackt herumlaufen wie die nackten Neger!", oder "Legt’s euch nicht so lange in die Sonne wie N.N., weil ihr sonst auch so wie er ausseht!" Das sagt ein Lehrer zu einem Schüler mit afrikanischen Wurzeln und nennt ihn "Mr. Black". Ein Schüler mit euroasiatischen Wurzeln wird von demselben Lehrer mit den Worten: "Sie sind ein gelber Hauttyp mit Schlitzaugen!" bezeichnet. In einer anderen Schule sagt eine Mathematik-Lehrerin: "Du bist hier nicht in Istanbul oder sonst wo, hier hast du dich zu benehmen", oder "Du bist Gast in der Schule und in Österreich."
Diese Fälle sind im Bericht der Anwaltschaft für die Gleichbehandlung, Teil II, für das Jahr 2012 nachzulesen. Sie stellen Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit im Bereich Bildung (Gleichbehandlungsgesetz Teil III) dar.
Große Dunkelziffer
Solche rassistischen Belästigungen von Schülern durch Lehrer sind keine Seltenheit und ziehen sich durch alle Schulstufen und Altersgruppen. "Unser Spektrum der Fälle ist sehr breit", erklärt die Gleichbehandlungs-Anwältin Ulrike Salinger, "alle Fälle der Diskriminierung im Bildungsbereich werden bei uns statistisch erfasst." Dazu zählen rassistische Beleidigungen als auch Feststellungen des Sonderschulbedarfs aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse. So gab es im Bereich Bildung im Jahr 2011 insgesamt 28 Anfragen und Beratungen bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft. 2012 hat sich diese Zahl mit 70 Anfragen mehr als verdoppelt. "Wir vermuten aber eine große Dunkelziffer", so die Anwältin.
Auch beim Verein Zara für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit sind im Jahr 2012 mehrere Fälle rassistischer Äußerungen, abwertender Beleidigungen und Beschimpfungen im Schulbereich dokumentiert worden - genaue Zahlen und Fallschilderungen erscheinen im nächsten Rassismus-
Report am 21. März. Dadurch, dass immer mehr Fälle gemeldet werden, scheint die Sensibilität für diese Problematik gestiegen zu sein. "Wir gehen nicht auf die Suche, sondern dokumentieren Fälle, die uns gemeldet werden, oder, wenn Opfer sich an uns wenden", sagt Claudia Schäfer, Zara-Geschäftsführerin. Immer wieder würden bestimmte Aussagen den Schülern ungerecht vorkommen und sie hätten das Bedürfnis, etwas zu tun. Allerdings sei die Hemmschwelle, aktiv zu werden, aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses gegenüber den Lehrern immens groß. Oft trauen sich Schüler nicht, etwas zu unternehmen, weil sie Benachteiligungen fürchten. Trotzdem: "Wir ermutigen Schüler und Eltern, etwas zu unternehmen", betont Gleichbehandlungs-Anwältin Salinger, "wir wissen aber auch, dass es sehr viel Mut erfordert."
Die Angst der Eltern um ihre schulpflichtigen Kinder scheint tatsächlich sehr groß zu sein, denn die Intervention der Gleichbehandlungsanwaltschaft wird nur selten oder in anonymisierter Form erwünscht. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der geteilten Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern im Schulbereich die Zuständigkeiten nicht eindeutig geklärt sind. Die Betroffenen können nur schwer einschätzen, wo sie um Hilfe ansuchen können. Außerdem vermutet Salinger, dass die Tätigkeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft unter den migrantischen Eltern zu wenig bekannt ist.
Im Unterrichtsministerium ist die Problematik der rassistischen Beleidigungen durch Lehrer bekannt. Kurzfristig kann das Ministerium ohne konkrete Fälle gar nicht tätig werden. Dazu braucht es vor allem Zivilcourage seitens der Eltern und Schüler, die den zuständigen Schulaufsichtsbehörden und Schulleitungen rassistische Beleidigungen melden. "Wir im Ministerium sind nach der Schulaufsicht die letzte Instanz, die davon Kenntnis erlangt. Aber wenn uns konkrete Fälle vorliegen, werden wir sofort tätig, da Rassismus keinesfalls ein Kavaliersdelikt ist", sagt Josef Galley, Pressesprecher für den Bereich Bildung im Unterrichtsministerium von Claudia Schmied. Mit der Aktion "Weiße Feder" und "Macht-Schule-Theater" unternahm das Ministerium einen Versuch, Gewalt unter Schülern im Pausenhof einzudämmen. "So werden wir auch bei Rassismus durch Pädagogen nicht wegschauen, sondern aktiv handeln." Mit Präventionsmaßnahmen in der Pädagogenausbildung und durch Erlässe und Rundschreiben, die alle Lehrer darauf hinweisen, dass es zum Beispiel rechtswidrig ist, Schülern in der Pause den Gebrauch ihrer Muttersprache zu untersagen, reagiert das Ministerium auf Beschwerden.
Ein Ausrutscher?
Sind also rassistische Beleidigungen nicht nur ein Ausrutscher, sondern ein ernsthaftes Problem? Es gibt engagierte Lehrer, an die sich Schüler vertrauensvoll wenden können und auf Unterstützung zählen können. Es gibt aber auch Schulen, wo die Hierarchiestrukturen sehr starr sind und Lehrer durch Vorgesetzte geschützt werden und Schüler kaum etwas unternehmen wollen. Maria K., eine Schülerin, die anonym bleiben möchte, sagt, dass sich in ihrer Schule eher die älteren Lehrer rassistische Äußerungen erlauben. So sagte ein Lehrer zu einem Schüler, der rumänische Wurzel hat: "Du siehst schon wie ein rumänisches Kind aus."
Im Rahmen einer Schulworkshopserie im 15. und 16. Bezirk wird der Verein Zara heuer erstmals ein Angebot für Pädagogen haben. Sensibilisierungs- und Präventionsarbeit stehen dabei im Mittelpunkt. Es geht vor allem um die Auseinandersetzung mit eigenen Standpunkten und Vorurteilen. "Im täglichen Sprachgebrauch verwenden wir alle Wörter und Ausdrücke, die wir vielleicht nie hinterfragt haben und wir sind uns nicht bewusst darüber, dass diese diskriminierend sind", so Schäfer. Doch gerade "rassistische Diskriminierungen im Sprachgebrauch sind ein großes Thema, sie sagen viel über unseren Umgang miteinander aus, schaffen Hierarchien und Wertigkeiten. Gerade im Schulbereich wäre es wichtig, positive Vorbilder zu haben."
Doch Schäfer macht sich keine Illusion: "Wir können mit unseren knappen Ressourcen und Workshops nur aufzeigen und denjenigen etwas anbieten, die die Problematik schon erkannt haben und bereit sind, etwas zu tun." Um einen echten Wandel herbeizuführen, müssten die Institutionen Antidiskriminierungs- und Sensibilisierungsarbeit verpflichtend in die Ausbildung von Pädagogen aufnehmen und auch sicherstellen, dass bereits ausgebildete Lehrer in diesem Bereich eine Fortbildung bekommen.
Im Bildungsministerium heißt es dazu: "Wir setzen in die Ausbildung junger Pädagogen und in die Fortbildung gezielte Schwerpunkte, um interkulturelle Sensibilität zu vermitteln. Das ist auf lange Sicht die wirkungsvollste Maßnahme."
Zusammen mit dem Verein Zeit!Raum hat die Gleichbehandlungsanwaltschaft Workshops zum Gleichbehandlungsrecht in Schulen in Wien, in der Steiermark, Vorarlberg, Salzburg und Tirol abgehalten. Die Jugendlichen wurden über die Eckpunkte des Gleichbehandlungsgesetzes und über die Handlungsmöglichkeiten bei Beleidigung, Belästigung und einer möglichen Diskriminierung unterrichtet.