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Rastloser Folter-Gegner zieht Bilanz

Von Michael Schmölzer

Politik

Jus-Professor war persönlich in zahl losen Haftanstalten. | "Im Ernstfall lasse ich die Türen aufbrechen." | Wien. Seit 2004 ist der österreichische Jurist Manfred Nowak UN-Sonderberichterstatter über Folter, jetzt geht sein Mandat zu Ende. Am Mittwoch zog der Universitätsprofessor und Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte auf Einladung des Wissenschaftsfonds eine vorläufige Bilanz.


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Nowak hat sich den vergangenen Jahren nicht hinter seinem Schreibtisch verschanzt, das wird schon zu Beginn seines Vortrags im Albert-Schweizer-Haus klar. Bei Besuchen in Foltergefängnissen ist der Österreicher weltweit auf zahllose Spuren staatlich betriebener Grausamkeit gestoßen, wobei Nowak nur unter ganz klar definierten Bedingungen tätig wird: "Ich verlange von der jeweiligen Staatsführung unbeschränkten Zugang zu allen Institutionen, wo Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden. Ich brauche die Garantie, dass ich mich völlig frei bewegen kann und unbehindert mit jedem vertraulich reden kann. Und es muss sichergestellt sein, dass Informanten später keinen Repressalien ausgesetzt sind", erklärt Nowak dem Publikum in Wien.

Ein- und ausgeladen

Bedingungen, denen man nur zu oft nicht entsprechen wollte. So ist Nowak von vielen Ländern, die unter dringendem Folterverdacht stehen, zunächst ein- und dann wieder ausgeladen worden. Allen voran die USA, die Nowak keine Gespräche mit Guantanamo-Häftlingen gestatten wollten. Moskau unterband einen Besuch Nowaks kurzerhand, weil er Folterlager in der ehemaligen Bürgerkriegsprovinz Tschetschenien sehen wollte. Kuba lud den Juristen 2009 ein und 2010 spontan wieder aus, im Fall Simbabwes konnte Nowak immerhin bis zum Flughafen vordringen, wurde dort aber festgesetzt und musste unverrichteter Dinge wieder abreisen. Von Ägypten und Syrien wurde eine Inspektion durch Nowak von vorneherein nicht in Betracht gezogen.

Dort, wo man Nowak vorließ, wurde er teils mit "unvorstellbaren Haftbedingungen" konfrontiert. Das Polizeigefängnis von Lagos, Nigeria, bezeichnet er als den "schlimmsten Ort", den er gesehen hätte. Kinder, Frauen und Männer hätten dort schwere Foltermale aufgewiesen, einigen hätte man aus der Nähe in die Beine geschossen und sie dann unversorgt liegen lassen. Nowak berichtet von unzähligen Versuchen des jeweiligen Gefängnispersonals, ihn unter diversen Vorwänden am Betreten von Folterzimmern zu hindern. "Im Ernstfall lasse ich die Türen aufbrechen", zeigt sich der UN-Berichterstatter unnachgiebig, meistens bedarf es dazu eines kurzen Anrufs beim jeweiligen Innenminister.

Zahlreiche Beweismittel

Nowak und sein Expertenteam - ein Arzt ist immer mit dabei - besitzen zahlreiche Fotos, die untragbare Haftbedingungen und Folterspuren dokumentieren. In einer Haftanstalt habe man sich nicht einmal die Mühe gemacht, ein Elektroschock-Gerät mit Klemmen, wie sie für das Laden von Autobatterien verwendet werden, zu verstecken. In einem anderen Fall habe er ein Zimmer betreten, wo eben erst ein Kind geprügelt worden war - die Spuren der Misshandlungen seien deutlich sichtbar gewesen. Allerdings habe das Opfer aus Angst vor späteren Konsequenzen seinen Peiniger nicht belasten wollen.

Es gibt, da ist sich der Jurist mit Österreichs Amnesty-International-Chef Heinz Patzelt einig, keinen einzigen Anlass, der die Anwendung von Folter rechtfertigen würde. Patzelt, der im Albert-Schweitzer-Haus ebenfalls einen Vortrag hielt, wies mehrfach darauf hin, dass Folter als polizeiliches Ermittlungsinstrument prinzipiell völlig ungeeignet sei. Jedes erfolterte Geständnis sei "kriminaltechnisch völlig wertlos". Vielmehr gehe es bei Folter nur darum, Menschen zu zerstören oder darum, persönliche Macht durchzusetzen. Ein Mittel der Wahrheitsfindung sei es nicht, auch ein geplantes Verbrechen sei durch Folter nicht zu verhindern. In diesem Zusammenhang bezeichnete Nowak die Relativierung des Folterverbots durch die Bush-Administration nach 9/11 als "katastrophal". "Zu Folter kommt es dann, wenn ein Staat nicht mehr über den Dingen steht, sondern sich direkt angegriffen fühlt", präzisiert Heinz Patzelt. Genau das sei nach 9/11 bei den USA der Fall gewesen.

Nach sechs Jahren Tätigkeit als UN-Berichterstatter kritisiert Nowak vor allem, dass weltweit wenig Wille vorhanden sei, Folter-Verantwortliche zu bestrafen. Zudem ortet er fehlende Bereitschaft, die Opfer zu schützen. Die Armut in der Dritten Welt sei verantwortlich dafür, dass weltweit vier Milliarden Menschen gar keinen Zugang zu Recht hätten, so Nowak.