Der Zeithistoriker ortet den Versuch einer Reinwaschung. "Das hat
nichts mit Wissenschaft zu tun".
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Wien. Der Rohbericht der FPÖ-Historikerkommission ist nach der Vorlage einer ersten Kurz-Zusammenfassung vonseiten der universitären Wissenschaft scharf kritisiert worden. Der Zeithistoriker Oliver Rathkolb ortete im Gespräch mit der APA den Versuch einer Reinwaschung. Außerdem bemängelter er das Fehlen wissenschaftlicher Standards und die Mit-Autorenschaft von aktiven FPÖ-Funktionären.
Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien und Leiter des wissenschaftlichen Beirats des "Hauses der Geschichte Österreich" und des "Hauses der europäischen Geschichte" in Brüssel, kritisierte gegenüber der APA u.a. die Zusammensetzung der Autorenschaft. Es sei bei zeithistorischen wissenschaftlichen Studien unüblich, eine Vermischung von Wissenschaftern und aktiven Parteimitarbeitern oder Funktionären vorzunehmen, erklärte er mit Verweis auf die Mit-Autorenschaft von FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth und FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. Gleiches gelte etwa für den Historiker Thomas Grischany, der Kabinetts-Mitarbeiter von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache war. Kritisch sieht Rathkolb auch, dass im Zwischenbericht teils die parteipolitische Tätigkeit der Autoren nicht erwähnt wird - wie etwa jene von Grischany.
"Eine Partei wie jede andere"
Völlig fehlen würde in der vorliegenden Kurzzusammenfassung etwa der Hinweis auf Analysen in den internen Parteivorstandsprotokollen der FPÖ zu NS-Themen, zu Restitution, Entschädigung und Antisemitismus. Der Tenor der vorliegenden Zusammenfassung laute, dass die FPÖ eine Partei "wie jede andere" sei, so Rathkolb. Er attestierte aber zumindest dem vorgestellten Text des ehemaligen Wiener roten Stadtschulratspräsidenten Kurt Scholz, dass dort "kritische Töne" zur Kontinuität von nationalsozialistischen Politikinhalten wie Antisemitismus und Verharmlosung des Holocaust in der FPÖ-Funktionärsschicht aber auch bei ÖVP und SPÖ dominieren.
Äußerst kritisch sieht Rathkolb die Forschungsfrage, ob die FPÖ eine Nachfolgepartei der NSDAP sei, diese sei "völlig daneben". Denn derartiges habe noch nie ein professioneller Historiker behauptet. Es sei logisch, dass die FPÖ keine Nachfolgepartei der NSDAP ist, denn dann wäre sie aufgrund des Verbotsgesetzes und auch einiger Bestimmungen im Staatsvertrag verboten worden.
Als "wissenschaftlich bedenklich" bezeichnete Rathkolb die Ausführungen zu FPÖ-"Gründungsvater" Anton Reinthaller im vorliegenden FPÖ-Papier. So sei - durch die Wissenschaftlerin Margit Reiter - längst widerlegt, dass Reinthaller bloß einen Ehrenrang bei der SS hatte und vielen Verfolgten in der NS-Zeit geholfen habe. Vielmehr habe sich Reinthaller nach 1945 nur als Opfer gesehen, obwohl er als hoher Bauernfunktionär u.a. massiv in den Zwangsarbeitereinsatz involviert gewesen sei und antisemitische Einstellungen weitergetragen habe, so Rathkolb.
Stelle zu Friedrich Peter besonders problematisch
Als "besonders problematisch, weil relativierend" bezeichnete der Historiker eine Stelle zum Nachfolger Reinthallers, Ex-FPÖ-Chef Friedrich Peter: Im vorgelegten FPÖ-Papier werde zwar darauf hingewiesen, dass er einer Einheit angehört hatte, die 1941 "an Erschießungen hinter der Front beteiligt war". Die 1. SS Infanterie-Brigade sei aber "wesentlich mehr" gewesen, nämlich "eine reine Mordmaschinerie, die im Sommer 1941 17.000 Juden und Jüdinnen - Frauen, Männer, Kinder - ermordete und später noch 25.000 sowjetische Kriegsgefangene umbrachte".
Mit Nachdruck zurückgewiesen wurde von Rathkolb der FPÖ-Vorwurf, seine Kritik sei parteipolitisch motiviert: Er habe ja im Vorfeld - "übrigens erstmals bereits im Mai 2018, mit rund 900 anderen Experten und Expertinnen gemeinsam im Rahmen einer Stellungnahme" - nicht den Inhalt des noch unbekannten Berichtes kritisiert. Gegenstand der Kritik sei vielmehr gewesen, "dass die Vorgangsweise der Projektkonzeption und erste Umsetzungsschritte unprofessionell" gewesen sei, etwa was das Thema der Geheimhaltung der Autorenschaft betrifft - oder jetzt die plötzlich bekannt gewordene umfangreiche Mit-Autorenschaft von aktiven FPÖ-Spitzenfunktionären. "Das hat nichts mit Wissenschaft zu tun."
Er hoffe dennoch, dass der gesamte Bericht noch vor den Wahlen publiziert werden wird, dann sei eine endgültige, tief greifendere inhaltliche wissenschaftliche Bewertung möglich, so Rathkolb. Der Historiker verwies auch auf eine "umfassende wissenschaftliche Tagung" auf der Basis langjähriger Forschungen zum historischen Teil des FPÖ-Berichts, die am 23. und 24. Oktober an der Universität Innsbruck stattfinden wird. Dabei wird auch das Buch von Margit Reiter (Titel: "Die Ehemaligen. Der Nationalsozialismus und die Anfänge der FPÖ") vorgestellt. (apa)
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