Pro-Europäer gewinnen, Mehrheit reicht aber nicht für die anstehende Wahl eines Präsidenten. | Spekulationen um "Überläufer". | Chisinau/Wien. Die Wahlen, die das seit April 2009 bestehende politische Patt in Moldawien hätten lösen sollen, haben wieder keine eindeutige Klärung der Machtfrage gebracht. Einerseits konnte das regierende proeuropäische Parteienbündnis "Allianz für europäische Integration" (AIE) mit vorerst 57 Sitzen seine zuvor äußerst knappe Mehrheit im moldawischen Parlament ausbauen - und das, obwohl mit der Kleinpartei "Moldova Noastra" (Unser Moldawien) eine der vier Koalitionsparteien unter die Vier-Prozent-Hürde rutschte. Vor allem Premierminister Vlad Filats Liberaldemokraten (PLDM) verbuchten starke Zugewinne: Die liberal-konservative Kraft kletterte von 16,6 auf 28,4 Prozent. Der große politische Gegner der Allianz, die Kommunisten von Ex-Präsident Wladimir Woronin, fielen dagegen von 44,7 auf 40,5 Prozent.
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Doch auf der anderen Seite genügt Filat ein einfacher Wahlsieg nicht, will er das Polit-Patt in Moldawien durchbrechen: Seit April 2009, als es im Zuge von Wahlfälschungsvorwürfen zu Demonstrationen und Ausschreitungen in der Hauptstadt Chisinau gekommen war, ist das Land ohne einen rechtmäßig gewählten Präsidenten.
Drei-Fünftel-Mehrheit
Dazu wäre laut Verfassung nämlich eine Drei-Fünftel-Mehrheit im Parlament nötig - und die konnte keine der konkurrierenden politischen Kräfte aufbringen. Auch dieses Mal, bei der dritten Parlamentswahl in eineinhalb Jahren, dürfte sich daran nichts geändert haben - nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen sieht es ganz nach einem neuerlichen Patt in dem bitterarmen Land zwischen Rumänien und der Ukraine aus. Keines der beiden politischen Lager erreicht die für die Präsidentenwahl erforderlichen 61 der insgesamt 101 Parlamentssitze.
Wie es nun weitergehen soll, ist schleierhaft - zumal die beiden Lager nicht so fest gefügt sind, wie sie nach außen hin erscheinen: In guter Erinnerung ist noch der Seitenwechsel des Ex-Kommunisten Marian Lupu nach den umstrittenen Wahlen im April 2009, der wesentlich zum späteren Sieg der prowestlichen Allianz beitrug. Lupu, unter KP-Chef Woronin Wirtschaftsminister und Parlamentspräsident, wurde Chef der "Demokraten" (PDM) und Präsidentschaftskandidat des prowestlichen Bündnisses. Mit der PDM erreichte er bei den Wahlen ansehnliche 12,9 Prozent. Der 44-Jährige kündigte auf seiner Homepage an, Verhandlungen "mit allen im Parlament vertretenen Parteien" aufzunehmen - also auch mit den Kommunisten. Auf der Seite ist auch ein Video herausgestellt, das Lupu mit dem russischen Duma-Vorsitzenden Boris Gryslow zeigt. Der moldawische Politiker unterzeichnet darauf eine Kooperation seiner PDM mit der Kreml-Partei "Geeintes Russland".
Doch auch eine Koalition von Lupus Demokraten mit der KP, so sie denn zustande kommt, hätte keine Mehrheit, um einen Präsidenten zu wählen. Der politische Graben, der die Lager in Moldawien trennt, berührt übrigens nicht die grundlegende Ausrichtung des Landes auf Europa: Auch die Kommunisten bekennen sich, wenn auch deutlich weniger engagiert, zur europäischen Integration. Die Regierung Filat hat die EU-Orientierung des Landes allerdings noch deutlich verstärkt.