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Ratschläge aus Berlin

Von Ina Weber

Politik
Schwarze Eintracht: Berlins Vize-Bürgermeister Frank Henkel (l.) und Stadtrat Manfred Juraczka im Gespräch. Die ÖVP-Wien-Veranstaltung im Wiener Ringturm wurde von Daniela Zeller (M.) moderiert.
© ÖVP

Wiens ÖVP Obmann Manfred Juraczka stellte gemeinsam mit Berlins Vize-Bürgermeister Frank Henkel die Frage: "Warum haben es die Schwarzen bloß so schwer in der Stadt?"


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Wien. Zunächst stellte man gemeinsam fest: Wien ist wunderschön und einmal mehr laut Umfrage eine Stadt mit höchster Lebensqualität. Die Aussicht vom hohen Ringturm am Schottenring war auch an jenem Abend, als die ÖVP Wien Berlins Vize-Bürgermeister Frank Henkel einlud, um mit ihm gemeinsam vor Publikum einen Berlin-Wien-Vergleich anzustellen, berauschend. Hoch oben freute man sich über den ebenfalls hohen Besuch.

Denn anders als in Wien wurde in Berlin im Jahr 2011 Manfred Juraczkas Traum einer schwarzen Regierungsbeteiligung wahr. Damals hatte die CDU in der Stadt deutlich zulegen können - und die SPD, die zwar anfangs eine grüne Koalition anstrebte, die aber scheiterte, holte Henkel an Bord. Der "nicht regierende" Bürgermeister (regierender Bürgermeister von Berlin ist Michael Müller, SPD) erzählte angeregt, wie es die Union schaffte, in einer roten Stadt Fuß zu fassen. "Im Jahr 2010 lagen wir in den Umfragen noch bei 16 Prozent", so Henkel. Mit innovativen Ideen hätte sie es geschafft. So verkaufte die CDU ihr Wahlprogramm am Kiosk. Sogar die "TAZ" titelte damals: "Die Konservativen führen den innovativsten Wahlkampf".

Wahlprogramm am Kiosk verkauft

"Wir konnten vermitteln, dass unser Programm auch einen Wert hat", so Henkel. Die Themen Bildung, Arbeitsplatz und Industrie hätten der CDU zum Erfolg verholfen. "Die Roten haben nur auf Dienstleistung gesetzt", so Henkel. Die Industrie zu vernachlässigen, sei fatal, aber natürlich gehe es nicht mehr um die rauchenden Schlote. Die CDU erreichte bei der Wahl schließlich 23 Prozent, die ÖVP Wien lag bei der letzten Wahl 2010 bei 14 Prozent.

Und Henkel, der auch Senator für Inneres und Sport von Berlin ist, wäre nicht Politiker, würde er sich nicht die positiven Entwicklungen an die Fahnen heften. Berlin mache seit der schwarzen Regierungsbeteiligung keine neuen Schulden mehr. "Wir haben 1,3 Milliarden Euro sogar getilgt", so Henkel. Eine Maßnahme dafür sei gewesen, dass man aus 23 Berliner Bezirken nur noch 12 machte.

Dass man bei der Verwaltung noch viel einsparen könne, dem stimmte auch Juraczka zu. "Wir haben in Wien 70.000 öffentliche Bedienstete. Bei euch sind es lediglich 105.000 Beamte. Dabei ist Berlin doppelt so groß", so der Obmann zu seinem Parteikollegen. Erwähnt wurde aber auch, dass Berlin 60 Milliarden Euro Schulden hat. Wien habe 10 Milliarden Euro. Berlin hat 3,4 Millionen Einwohner, während in Wien 1,8 Millionen Menschen leben.

Mehr Polizisten in Berlin eingestellt

Große Einigkeit herrschte beim Thema Sicherheit. Berlin brauche 250 Polizisten mehr, habe Henkel immer gesagt. Jetzt hat die Stadt sogar 350 zusätzliche Sicherheitskräfte geschaffen. Demonstrationen würden mit Videos überwacht und die Parkanlagen würden verstärkt abgegangen. "Wir haben eine Architektin, die vorgibt, etwa die Hecken lichter zu scheiden oder mehr Beleuchtungen anzubringen, um die Tatgelegenheiten zu minimieren", sagte Henkel. In Wien würde sich die Regierung beim Thema Sicherheit zurückziehen, so Juraczka. Er forderte einen Sicherheitsstadtrat.

"In Berlin bräuchte man eigentlich gar kein Auto. Wir erreichen alle Außenbezirke", so der Berliner Vize-Bürgermeister. In Wien hätten es die Schwarzen vor allem in Zeiten von Rot-Grün besonders schwer, so Juraczka. "Wir haben Nachholbedarf. Die U-Bahn müsste bis an den Stadtrand gebaut werden, damit die Pendler draußen bleiben." Außerdem sei die Parkraumbewirtschaftung unsinnig. "Eine Stunde Parken kostet im 1. Bezirk genauso viel wie am Stadtrand", so Wiens ÖVP-Chef. Henkel schüttelte den Kopf.

Auch beim Thema Arbeitsmarkt würde sich Juraczka gerne ein Stückchen von seinem Parteikollegen abschneiden wollen. Die Arbeitslosigkeit sei dort von 13 auf 11 Prozent zurückgegangen. "Wir sind die Gründer-Hauptstadt Nummer eins bei Start-ups", schwärmte Henkel von seiner Stadt. Und die Start-up-Gründer würden jetzt Leute einstellen. "Wir haben endlose Flächen zur Verfügung und viele gut ausgebildete Menschen." In Wien sei das Bild weniger rosig, so Juraczka. 35 Prozent der österreichischen Arbeitslosen würden in Wien sitzen, 60 Prozent der Mindestsicherungsbezieher ebenfalls. In den vergangen 20 Jahren seien in Wien lediglich 8000 Arbeitsplätze mehr geschaffen worden.

Wohnen als Herausforderung für die Zukunft

Mehr Polizisten, mehr Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit, Verwaltungsabbau, U-Bahn-Ausbau bis an den Stadtrand - das sind Themen, mit denen Juraczka vor der Wien-Wahl am 11. Oktober punkten will. Maßnahmen, wie sie laut Henkel in Berlin umgesetzt wurden. Zum Abschluss blickten die beiden Herren in die Zukunft. Im Jahr 2030 rechnet Henkel mit 250.000 Bewohnern mehr. Dass wenig gebaut wurde, würde sich nun mit hohen Mietpreisen rächen. Hier müsse man noch viel machen. Auch Juraczka sieht darin die Herausforderung der Zukunft. Er forderte Fördermittel für Eigentum. "Damit sich die Jungen eine Wohnung leisten können." "Alles Gute", wünschte Henkel dem ÖVP-Chef für die Wahl. Dann blickten beide auf die Stadt, die sich in der Zwischenzeit in Schwarz gehüllt hatte.