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Früher war nicht alles besser, aber vieles anders. Etwa die Verlockungen zu Korruption und Missbrauch. Erzählt jedenfalls einer, der es wissen muss.
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Erst Wehrmachtssoldat, dann Widerstandskämpfer gegen die Nazis, schließlich Diplomat im Dienste der Zweiten Republik, wo er unter anderem auch an den Südtirol- und Staatsvertragsverhandlungen - Letztere als Kabinettschef von Kanzler Julius Raab - beteiligt war. Und, last but not least, der letzte noch Lebende aus der Riege jener, die 1945 die Volkspartei mitbegründeten.
Ludwig Steiner hat dies alles und noch einiges mehr erlebt. Er feiert am kommenden Samstag, 14. April, seinen 90. Geburtstag. Bei bester Gesundheit wohlgemerkt.
Mit Blick auf die aktuelle Situation "seiner" ÖVP ist Steiner allerdings nicht wirklich zum Feiern aufgelegt. Völlig unverständlich ist für ihn die nur schleppend erfolgte Distanzierung der Partei von Lobbyist und Maria Rauch-Kallats Ehemann, Alfons Mensdorff-Pouilly und weiterer im Dunstkreis von Korruption stehender Personen: "Warum soll die ganze ÖVP für solche Leute auch noch politisch Wache stehen? Das ist doch hirnrissig", kann Steiner darüber nur den Kopf schütteln. Und die Nominierung Ernst Strassers zum Spitzenkandidaten für die EU-Wahl 2009 war für ihn überhaupt nur "völliger Unsinn". Aber im Nachhinein ist man eben immer klüger.
Was rät nun der "Elder Statesman" seiner Partei, um aus dem Teufelskreislauf des medialen Korruptionsgeneralverdachts und sinkender Wählerzustimmung herauszufinden? Steiner: "Die ÖVP wäre gut beraten, wenn sie sämtliche Verdachtsmomente radikal bereinigt und volle Transparenz herstellt - auch und gerade in Fragen der Parteienfinanzierung. Wir leben Gottseidank in einem Land, in dem nichts geheim gehalten werden muss. Das gehört sich auch nicht. Und die Justiz ist aufgerufen, alle diesbezüglich laufenden Verfahren schnellstens und rückhaltlos aufzuklären."
Aber waren Politiker früherer Generationen tatsächlich resistenter gegenüber Korruption, Missbrauch öffentlicher Mittel und sonstigen Unanständigkeiten?
"Wahrscheinlich waren sie auch nicht anständiger", so Steiner, "aber was damals, vor allem in den ersten Jahren der Republik, fast völlig fehlte, waren die Gelegenheiten, die Diebe machen."
Und ist an ihn selbst in all den Jahrzehnten einmal ein unanständiges Angebot herangetragen worden? "Nein, nicht einmal gefragt worden bin ich! Das ist, man muss es wohl so sehen, wirklich ein Ausweis unterster politischer Bedeutsamkeit", erzählt Steiner mit einem Lachen.
Wohl eher das Gegenteil.