)
Inara Vilkaste sieht sich durch Spezialdienste des Staates bedroht.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien/Riga. Inara Vilkaste spricht langsam, leise. Der lettischen Geschäftsfrau fällt es schwer, über ihre Geschichte zu sprechen. Sie muss immer wieder Luft holen, durchatmen, als sie der "Wiener Zeitung" über ihre Verfolgung erzählt - über ihre Verfolgung durch die lettischen Sicherheitsbehörden und die lettischen Gerichte, wie sie sagt.
Die Geschichte, die sie minutiös darlegt, klingt nicht so, als würde sie sich in einem EU-Land abspielen: 2005 hatte die Geschäftsfrau mit lettischen und russischen Wurzeln einen der größten Immobiliendeals des Landes im Wert von 40 Millionen Euro abgeschlossen. Kurz danach gingen Sicherheitsbehörden und Gerichte "synchron", wie Vilkaste sagt, gegen die 51-Jährige vor. Die Geschäftsfrau wurde mit einer ganzen Flut an Untersuchungen konfrontiert und mehrfach vor Gericht zitiert. 50 straf- und 100 zivilrechtliche Verfahren sollen gegen sie eröffnet worden sein. Im vergangenen Herbst wurde Vilkaste schließlich wegen Bestechung zu zwei Jahren Haft verurteilt - sie wandte sich daraufhin an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Attentat gegen Ehemann
Ein simpler Bestechungsfall? Die Investorin bestreitet das. Schließlich hat ihr Fall genug Ungewöhnliches zu bieten: Der Anwalt der Familie ist bis heute spurlos verschwunden. Die jüngere Tochter Olga, ein Fotomodell, soll einer Entführung nur knapp entronnen sein. Vilkaste wurde auch - was sie zugibt - von einem Mitarbeiter ihrer Firma erpresst. Und auf ihren damaligen Ex- und mittlerweile Wieder-Ehemann Vladimir Vaskevics wurde ein Anschlag mit einer Autobombe verübt. Der russischstämmige Vaskevics, der als Vizedirektor einer Finanzbehörde ein Gesetz gegen Schmuggel und Geldwäsche durchgesetzt haben soll, laboriert heute noch an den Folgen des Attentats.
Wer für all das verantwortlich ist? "Spezialdienste", sagt Vilkaste, die außer Kontrolle geraten seien. Besonders das staatliche lettische Büro für Korruptionsbekämpfung, "Knab" genannt, soll laut der 51-Jährigen hinter der "Verfolgung" stecken. Die Beamten, die sich von Vaskevics gestört gefühlt hätten, hätten viel zu viel Macht bekommen. Die Knab-Behörde gab sich auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" zugeknöpft.
Die 2002 gegründete Antikorruptionsbehörde ist in Lettland jedenfalls in letzter Zeit ins Gerede geraten. Vor einem Jahr musste der Chef der Behörde, Normunds Vilnitis, zurücktreten, weil Mitarbeiter der in Schwarz auftretenden Spezialdienste mit dem martialisch wirkenden Adler im Wappen Geld veruntreut haben sollen. Dennoch halten viele Letten der mit westlicher Unterstützung gegründeten Behörde zugute, die Korruption im Land eingedämmt zu haben. Die lettische Journalistin Inga Springe, die sich lange mit den Korruptionsfällen um Vaskevics und Vilkaste beschäftigte, hält Knab für eine der honorigsten Institutionen Lettlands, deren Mitarbeiter sie als ehrlich einschätzt. Dafür sei an Vilkastes und Vaskevics Geschichte von der verfolgten Unschuld nicht viel dran: "Vaskevics war nicht der große Kämpfer gegen den Schmuggel, er war im Gegenteil selbst verantwortlich für Bestechung und Schmuggel im Land", sagt die jetzige Leiterin eines Zentrums für investigativen Journalismus im Baltikum. Der neureiche Vaskevics, der mit dem Gehalt eines Finanzbeamten 300 Paar teure Schuhe besessen haben soll, habe Bestechungsgelder kassiert und sei dabei lange von Freunden in der Regierung geschützt worden. Seine geschiedene Frau habe ihn unterstützt. Das nun wiederverheiratete Paar habe trotz Scheidung schon damals zusammengewohnt - und bei zwielichtigen Geschäften auch zusammengearbeitet.
Anwälte als Zeugen
Trotz solcher Zweifel und trotz des neureichen Habitus der Familie, der viele Letten irritiert - der Fall Vilkaste wirft ernste Fragen auf. Etwa zum lettischen Rechtssystem: Die Knab-Behörde soll beispielsweise Vilkastes Anwälte als Zeugen geladen haben - damit wären diese daran gehindert, ihre Arbeit zu verrichten. Im Herbst hatten sich die Anwälte auf einer Pressekonferenz darüber beklagt. Zu der Konferenz waren auch Österreicher angereist - vom Komitee "Gerechtigkeit für Inara", dem mit dem ÖVP-Politiker Walter Schwimmer ein Ex-Generalsekretär des Europarats vorsitzt. Schwimmer gibt an, seine Tätigkeit für die reiche Oligarchin sei ehrenamtlich.