Eine mysteriöse Krankheit im Sudan gibt den Gesundheitsexperten Rätsel auf: Das "Nicksyndrom" ist bisher nur aus dem verarmten Süden des afrikanischen Landes bekannt und befällt offenbar ausschließlich Kinder. Die Kranken leiden an merkwürdigen Symptomen - eine erste Auffälligkeit ist unkoordiniertes Nicken beim Anblick von Essen. Es können schwere Anfälle folgen, die denen von Epileptikern ähneln. Die Kinder leiden an Wachstumsstörungen und sind häufig mental zurückgeblieben. Nach ein paar Jahren sterben die meisten von ihnen, nur wenige wurden wieder gesund.
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"Diese Krankheit ist ziemlich bemerkenswert. Es handelt sich allen Berichten zufolge um eine progressive Störung und um eine tödliche Krankheit mit einem Verlauf von etwa drei Jahren oder etwas mehr", sagt der Neurologe Peter Spencer, der für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das "Nicksyndrom" untersucht. Setze man die Kinder vor eine Mahlzeit, begännen einige, sehr schnell und wippend zu nicken, berichtet Spencer. Andere erlitten einen Krampfanfall, wieder andere erstarrten in ihren Bewegungen.
Rund 300 Fälle wurden bisher gemeldet. Heilung scheint Zufall zu sein. Elijah Makender im Krankenhaus von Billing in Südsudan behandelt seine kleinen Patienten mit Anti-Epileptika, die er später mit Malaria-Medikamenten ergänzt. "Es gab Fälle, bei denen die Kinder komplett geheilt wurden", sagt er. "Aber die Medikamente schlagen nicht bei jedem an. Bei vielen Kindern verschlimmerte sich der Zustand weiter."
"Wenn es kommt, sieht es aus wie eine schwarze Wolke in Form eines Menschen", beschreibt die 13-jährige Martha Halim ihre Anfälle. "Das ist alles, was ich weiß. Am Schluss liege ich dann auf dem Boden." Martha haben Anti-Epileptika nicht geholfen. Ein Anfall überraschte sie beim Kochen - Martha fiel ins Feuer und erlitt schwere Verbrennungen am rechten Bein. "Sie ist eine lebende Tote", sagt Marthas Vater. "Sie wird nie heiraten und sie wird an dieser Krankheit sterben."
Seit rund zwei Jahren sucht die WHO nach Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten der seltsamen Krankheit. Dabei stoßen die Experten auf immer neue Rätsel. So habe er bei einer 13-jährigen Patientin festgestellt, dass sie bei herkömmlichem Essen zu nicken beginne, nicht aber bei amerikanischen Lebensmitteln wie Schokoriegeln, berichtet Spencer. "Das war absolut erstaunlich", sagt der Neurologe.
Eine Theorie zum Ursprung der Krankheit ist nach Angaben Spencers, dass sie durch den Verzehr von Affen übertragen wird. Dies sei aber nicht die wahrscheinlichste Annahme. Auch eine Verbindung zur Flusskrankheit, einer von der Kriebelmücke übertragenen und in Südsudan häufig vorkommenden Krankheit, wird nicht ausgeschlossen. Untersucht werden auch Parallelen zu dem in Uganda auftretenden Nakalanga-Syndrom, das auch mit Krämpfen und Wachstumsstörungen einhergeht. Auffällig sei, dass die meisten Betroffenen einen anderen Lebensstil hätten als das Nomadenvolk der Dinka, sagt Spencer. "Diese sind nicht betroffen."
Dem "Nicksyndrom" auf die Spur zu kommen sei eine Frage der Zeit und des Geldes, erklärt Spencer. "Wenn wir clever sind, werden wir das lösen", betont er. Versäumnisse wie bei HIV dürfe es nicht geben. "Man kann sich kein schlimmere Katastrophe für eine Gemeinschaft vorstellen, als dass ihre Kinder ein derartiges Schicksal erleiden."