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Rätselraten um Beweggründe

Von Walter Hämmerle

Politik

Seit dem Ende des Kalten Krieges und verstärkt in den letzten Jahren haben sich die USA bemüht, im Nahost-Konflikt in die Rolle eines "ehrlichen Maklers" zu schlüpfen, der von allen Parteien als Partner akzeptiert wird. Mit der Unterstützung der Teilungspläne von Sharon vollzieht die Bush-Administration hier nun einen radikalen Schwenk - offen bleibt jedoch die Frage nach dem Warum.


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Diese Rolle im Nahen Osten war ohnehin von Anfang an mit einem Glaubwürdigkeitsdefizit behaftet, verstanden sich die USA doch seit jeher als traditionelle Schutzmacht Israels. Sollte es in dieser Hinsicht jemals Vertrauen auf Seiten der Palästinenser gegeben haben, so ist dieses nun sicherlich auf lange Zeit zerstört.

Völlig offen ist jedoch, was Bush zu diesem Schwenk bewegt hat. Vor dem Hintergrund der mehr als nur instabilen Situation im Irak und in Afghanistan sind die USA auf die Unterstützung islamischer Staaten angewiesen - der Westen alleine verfügt längst nicht mehr über die notwendige internationale Reputation und Glaubwürdigkeit, diese Krisenherde alleine zu löschen. Warum aber stößt Bush dann ausgerechnet in der jetzigen kritischen Phase die Palästinenser - und mit ihnen die gesamte islamische Welt - mit der Parteinahme für Sharon vor den Kopf?

Aber auch innenpolitisch macht die Kehrtwendung für den de facto bereits im Wahlkampf stehenden Bush kaum mehr Sinn. Schließlich braucht er für einen Wahlsieg nichts dringender als eine baldige und vor allem nachhaltige Stabilisierung des Irak. Nicht einmal eine Beruhigung des - ansonsten für die amerikanische Innenpolitik sehr wohl relevanten - israelisch-palästinensischen Konflikts erreicht er damit. Im Gegenteil: Radikale Palästinenser werden ihren Widerstand gegen die Besatzung noch weiter verstärken. Und die gemäßigten Kräfte werden ein Argument weniger haben, warum eine Verhandlungslösung schlussendlich doch zu einen gerechten Frieden führen sollte.

Der einzige, der von der neuen Nahost-Politik der Bush-Administration zweifelsfrei profitiert, ist Israels Premierminister Sharon. Mit der expliziten Rückendeckung aus Washington kann er mit seinen Teilungs- und Rückzugsplänen getrost vor die Likud-Mitglieder treten. Ihr Nein ist nun so gut wie ausgeschlossen. Eine Ablehnung hätte für das politische Schicksal des ohnehin angeschlagenen Sharon weit reichende Folgen gehabt. Diese Gefahr scheint nun gebannt.

Weitgehend irrelevant ist für Bush dagegen der Aufschrei der europäischen Verbündeten, sofern er sie überhaupt noch als solche betrachtet. Sie haben für die innen- wie außenpolitischen Entscheidungen dieser Regierung praktisch keinen Stellenwert mehr. Die Frage, wer für diese Entwicklung ein Mehr an Verantwortung trägt, ist irrelevant. Die Folgen lassen sich allerdings nicht, wie sich auch jetzt wieder zeigt, auf die beiden Seiten des Atlantik beschränken.