Was politische Skandale nicht zuwege brachten, scheint nun einem Teenager zu gelingen: die Macht von Italiens Ministerpräsidenten und Medienmogul Silvio Berlusconi zu brechen. In den italienischen Medien wird über das Ende der politischen Laufbahn des Regierungschefs spekuliert.
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Im Zentrum der Ermittlungen steht eine 18-jährige marokkanische Prostituierte Karima El Mahroug mit dem Berufsnamen Ruby Rubacuori (Herzensräuberin), die der Premier vor etwa zwei Jahren kennengelernt hat. Zumindest geht das aus einem von Ermittlern abgehörten Telefonat der Dame mit einer Freundin hervor. Des weiteren geht daraus hervor, dass Ruby fünf Millionen für ihren 'beschmutzten Namen' gefordert hat.
Die Bekanntschaft scheint für die junge Dame sehr lukrativ und für den Politiker befriedigend verlaufen zu sein. Zwischen Februar und Mai 2010 war Ruby auf mehreren Partys, die Berlusconi organisieren ließ. Hier setzt die Staatsanwaltschaft an: Prostitution Minderjähriger ist in Italien verboten, Kunden drohen bis zu drei Jahre Haft.
Vor Ruby gab es eine Schülerin in Neapel, der Berlusconi zur Volljährigkeit ein mit Diamanten besetztes Collier schenkte. Der Premier versicherte, er habe keine Beziehung zu der Blondine. Das Callgirl Patrizia D'Addario berichtete von zwei Partys in Berlusconis Luxusvilla Grazioli in Rom, an denen sie teilgenommen habe. Beim ersten Mal sei alles auf eine Orgie hinausgelaufen, weshalb sie das Haus verlassen habe. Bei der zweiten Party habe sie für 1.000 Euro mit Berlusconi geschlafen.
2009 schlug der Premier politisch völlig unerfahrene aber optisch attraktive Kandidatinnen für die Europawahl vor. Seine Ehefrau Veronica Lario reichte daraufhin die Scheidung ein.
In jedem Fall stritt Berlusconi alles ab, verwickelte sich in Widersprüche und reagierte angesichts der Sachlage mit Drohungen und Beschimpfungen gegen die Medien und die Justiz.
Probleme in den eigenen Reihen
Ärgerlich ist für den Premier, dass nicht nur seine Gegner den Widerspruch zwischen seinen politischen Werten wie Familie und Religion und seinem Verhalten erkennen. Auch aus den eigenen Reihen kommt Kritik an Berlusconi, der im Parlament für die Eindämmung der Prostitution eintrat.
"Allein die Vorstellung, dass ein Mann an der Spitze der staatlichen Institutionen in Affären um Prostitution oder, noch schlimmer, um Prostitution von Minderjährigen verwickelt sein könnte, verletzt und erschüttert", schreibt die einflussreiche katholische Tageszeitung L'Avvenire. Das Blatt zitiert auch den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Angelo Bagnasco: "Auf öffentlichen Posten ist das Betragen nicht von der Position zu trennen."
Selbst Fabrizio Cicchitto, der Fraktionschef von Berlusconis Partei Volk der Freiheit ist sich nicht mehr sicher, ob sein Boss im Amt bleibt. "Wir werden überprüfen, ob die Bedingungen vorhanden sind, um weiter zu regieren. Ansonsten wird es zu Neuwahlen kommen", erklärte er.
Die Oppositionspartei Italia dei Valori (IDV) fordert offen den Rücktritt des Premierministers. "Berlusconi kann sein Amt nicht mehr ausüben, weil er wegen seines Verhaltens erpressbar ist. Er ist krank. Er soll zurücktreten und sich behandeln lassen", verlangte der Oppositionspolitiker Antonio Di Pietro.
Berlusconi sieht kein Problem
Berlusconi selbst sieht erwartungsgemäß keinen Grund für einen Rücktritt. "Seid ihr alle verrückt?" war seine rhetorische Frage zu dem Thema...