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Rauchverbot trotz Wirte-Not

Von Clemens Neuhold

Politik

Wirtschaftsminister zieht trotz der Alarm-Stimmung in der Gastronomie das Rauchverbot durch - mit Übergangsfrist.


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Eine Zigarette nach dem Essen genügte, und Lisi Brand vom Schlossgasthaus in Retz witterte zwei neue Verbündete. Noch vor der Rechnung kredenzte sie den Gästen eine Unterschriftenliste mit dem Titel "Rauchzeichen setzen". Die parlamentarische Bürgerinitiative für die "Beibehaltung der aktuellen Nichtraucherregelung" hat der Wiener Gastronom und Besitzer des Centimeter in Währing, Heinz Pollischansky, gestartet. Vertreter der Wirtschaftskammer rufen unter ihren Mitgliedern aktuell zur Teilnahme auf und auch große Brauereien sollen bei ihren Gastro-Kunden dafür werben.

Ziel sind 100.000 Unterschriften. Damit soll Vizekanzler, Wirtschaftsminister und Ex-Wirtschaftskämmerer Reinhold Mitterlehner (ÖVP) noch umgestimmt werden. Dieser hatte sich Anfang des Jahres für ein Rauchverbot bis Sommer ausgesprochen und schwenkte damit auf die Linie des Koalitionspartners ein. SPÖ-Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser drängt schon länger darauf – wie schon ihr Vorgänger Alois Stöger. Mitterlehner gab seinen Meinungsumschwung nach dem Lungenkrebs-Tod des Aufdeckerjournalisten Kurt Kuch im Februar bekannt. Kuch hatte bis zum letzten Atemzug für ein Rauchverbot in Lokalen gekämpft.

"Django" hält Kurs

Die Unterschriften dagegen werden sich schon bald in Schall und Rauch auflösen. Denn am Rande der Regierungsklausur in Krems stellte Mitterlehner gegenüber der "Wiener Zeitung" klar: "Das Rauchverbot geht in Kürze in Begutachtung. Es gibt keine Abweichung vom Fahrplan bis zum Sommer." Wie zu hören ist, soll der Entwurf bis Ostern fertig sein.

Das heißt, die seit 2009 geltende Trennung in Raucher- und Nichtraucherzonen könnte ab Sommer Geschichte sein. Vorgesehen ist zudem eine Übergangsfrist. Der Umbau der Lokale hat die Wirte rund 100 Millionen Euro gekostet, sagt die Wirtschaftskammer. Bald wird zurückgebaut. Finanzminister Hans Jörg Schelling hatte dafür eine finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt, Oberhauser eine steuerliche Absetzbarkeit von Umbauten. Details wollte das Finanzministerium auf Nachfrage noch nicht verraten. Die Art der Entschädigung werde derzeit mit Vertretern der Wirtschaftskammer verhandelt – ein Indiz, dass sich die Kammer trotz der Proteste mit dem Rauchverbot abgefunden hat.

"Aschenbecher Europas" nannte ein Nichtraucher-Aktivist Österreich jüngst. In Ländern wie Italien, Frankreich, Großbritannien sind Raucher längst vors Lokal verbannt. Mit dem bis Sommer geplanten Gesetz verliert auch Österreich den Ruf der Raucher-Insel in Europa. Gastronomen fürchten, Umsätze zu verlieren. Vor allem bei kleinen Eck-Wirten geht die Angst um, dass Stammgäste künftig in den eigenen vier Wänden zum Supermarkt-Bier qualmen. "Die Politik vernichtet zahlreiche Lokale und Jobs", warnt Pollischansky. Weil sich Anrainer durch Raucher vor der Türe belästigt fühlen, rechnet er abends mit kürzeren Öffnungszeiten.

Wut-Wirte

Vor einer Woche war Lisi Brand in Wien und demonstrierte mit rund 500 Kollegen aus ganz Österreich auf dem Ballhausplatz, während drinnen Bundeskanzler Werner Faymann und Mitterlehner die Eckpunkte der Steuerreform verkündeten. Im Zuge der Reform beschloss die Regierung eine Registrierkassenpflicht gegen Schwarzgeld in der Gastronomie. Auch die Mehrwertsteuererhöhung von 10 auf 13 Prozent auf Nächtigungen trifft Wirte in Tourismuszonen indirekt.

"Django, spiel mir das Lied vom Wirtetod", stand auf den Plakaten – in Anspielung auf Mitterlehners Spitznamen im Cartellverband. Manche riefen so laut: "Wir wollen den Django sehen", dass es durch die dicken Mauern des Kanzleramtes zu hören war. Hätten Sie vom fixierten Rauchverbot gewusst, die Stimmung wäre noch aufgeladener gewesen. Deswegen hielten Mitterlehner und Oberhauser den Ball beim Rauchverbot in den vergangenen Wochen flach. Zum Protest gegen die Registrierkasse sagte Mitterlehner am Mittwoch im Parlament: "Steuerbetrug und Sozialmissbrauch kann doch kein anerkanntes Geschäftsmodell sein, das gefährdet die Solidarität."

Die Solidarität mit Rauchern ist ab Ostern aufgekündigt.

Die Sorgen der Wirte:Allergen-Verordnung
Seit Anfang des Jahres gilt die EU-Richtlinie für eine strengere Lebensmittelkennzeichnung für 14 Allergene wie glutenhaltige Getreide, Lactose oder Sojabohnen. Die Gastronomie beklagt den administrativen Aufwand. Die Information, die in der Speisekarte oder durch geschultes Personal zur Verfügung gestellt werden muss, würde kaum nachgefragt.

Registrierkasse
Künftig müssen Betriebe, die überwiegend Bargeld umsetzen, über eine Registrierkasse verfügen - und das ab einem Nettojahresumsatz von 15.000 Euro. Stellt ein Unternehmen überwiegend Rechnungen aus, ist es von der Maßnahme nicht betroffen. Das gelte in der Regel zum Beispiel für Handwerker. Eine Smartcard (Chipkarte), codiert sämtliche in der Kasse gespeicherten Umsätze mit einer "Digitalen Signatur" und versieht sie mit einer fortlaufenden Nummer. Das soll gegen Manipulation schützten. Auf der Karte selbst wird die Summe der Gesamtumsätze gespeichert.

Mehrwertsteuer
Sie steigt für Nächtigungen von 10 auf 13 Prozent. Das betrifft indirekt auch die Gastronomie in Tourismusgegenden.