Gastkommentar: Österreich vernachlässigt den Nichtraucherschutz und die Tabakprävention.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wir sind Europameister: In keinem anderen europäischen Land gibt es so viele jugendliche Raucher und ein so niedriges Mindestalter für den Kauf von Zigaretten wie in Österreich. Internationale Studien zeigen, dass ein Rauchverbot unter 18 Jahren wirksam ist. Ärzte und Gesundheitswissenschafter unterstützen deshalb den aktuellen Reformvorschlag als einen wichtigen ersten Schritt.
Rauchen wird schon lange als "Kinderkrankheit" angesehen: Wer nicht schon als Kind damit anfängt, wird später kaum noch zum Raucher. Die Tabakindustrie hat das schon lange erkannt. Bereits 1981 betonte der US-Zigarettenhersteller Philip Morris in einem internen Memo: "Die Kinder von heute sind die potenziellen Kunden von morgen, und die überwältigende Mehrheit der Raucher beginnt zu rauchen, wenn sie noch Jugendliche sind." Laut Eurobarometer liegt in Österreich das Einstiegsalter bei 17,3 Jahren, und 77 Prozent aller Raucher sind mit 18 Jahren bereits regelmäßige Konsumenten.
Die hohe Anzahl an jugendlichen Rauchern bedeutet, dass wir der nächsten Generation ein langfristiges und hartnäckiges Problem mitgeben. Denn je früher jemand mit dem Rauchen beginnt, desto eher wird er abhängig werden, desto schwerer wird er wieder aufhören können und desto größer wird sein gesundheitlicher Schaden sein, wie Studien belegen.
80 Prozent der Raucher bereuen das Anfangen später
Oft beginnen Jugendliche mit dem Rauchen, um gegen die Erwachsenenwelt zu rebellieren. Jedoch bereuen bereits im Alter von 20 Jahren 80 Prozent der Raucher, dass sie überhaupt damit begonnen haben. Aber sie werden weiter rauchen, weil sie abhängig sind. Viele werden das den Großteil ihres Lebens tun. Wieder in den Worten der Tabakindustrie: "Eine Zigarette zu rauchen ist ein symbolischer Akt, der sagt: ‚Ich bin nicht mehr das Kind meiner Mutter.‘ Doch sobald die Kraft der symbolischen Handlung verschwindet, übernehmen schon die pharmakologischen Effekte (der Sucht) und halten das Rauchen aufrecht." (Zitat aus M.J. Jarvis: "Why People smoke") Kaum ein Kind trifft die bewusste Entscheidung, mit dem Rauchen anzufangen, kaum ein Kind ist sich der Gefahr der langfristigen Abhängigkeit bewusst.
Österreich ist neben der Slowakei und Rumänien das einzige EU-Land, in dem der Anteil der Raucher seit dem Jahr 2000 nicht reduziert werden konnte. Der Grund dafür liegt darin, dass wir wissenschaftlich abgesicherte Maßnahmen kaum umsetzen. In einem Vergleich unter 34 europäischen Ländern nimmt Österreich laut European Tobacco Control Scale bezüglich Nichtraucherschutz und Tabakprävention sogar den letzten Platz ein. So stellte der Kardiologe Stanton Glantz aus Kalifornien verblüfft fest: "Ich fühle mich hier in Wien wie in einer Zeitmaschine, die mich um 30 Jahre zurückversetzt hat."
Ungewöhnlich niedriges gesetzliches Einstiegsalter
Auch der Schutz von Kindern und Jugendlichen wird in Österreich vernachlässigt. Der Grund für die hohe Anzahl an jugendlichen Rauchern liegt (unter anderem) an dem ungewöhnlich niedrigen gesetzlichen Einstiegsalter von 16 Jahren. In den meisten Regionen der westlichen Welt dürfen Zigaretten nur an über 18-Jährige (volljährig) verkauft werden. Vielerorts wird derzeit sogar eine Anhebung auf 21 Jahre diskutiert - in New York, Kalifornien, Hawaii und anderen US-Regionen wurde diese bereits umgesetzt.
Eine Anhebung des gesetzlichen Mindestalters wirkt: Als in den USA in den 1980er Jahren über eine Altersgrenze von 21 Jahren diskutiert wurde, war sich die Tabakindustrie über die möglichen Folgen bewusst. So stellte Philip Morris in internen Dokumenten fest, dass dies "den Schlüsselmarkt der 17- bis 20-Jährigen vernichten könnte, in dem wir etwa 25 Milliarden Zigaretten verkaufen und 70 Prozent Marktanteil genießen". Wenn sich die Tabakindustrie vor einer Maßnahme zur Tabakprävention fürchtet, dann ist das meist ein Hinweis darauf, dass sie wirkt. International wurden Reformen zur Anhebung des gesetzlichen Mindestalters in folgenden Ländern auf ihre Wirksamkeit hin überprüft:
In Großbritannien wurde im Oktober 2007 das Mindestalter für den Verkauf von Tabakwaren von 16 auf 18 Jahre erhöht. 2010 zeigte eine Studie mit mehr als 50.000 Teilnehmern, dass der Anteil der Raucher unter den 16- und 17-Jährigen um 30 Prozent gesunken war (von 23,7 auf 16,6 Prozent). Im selben Zeitraum reduzierte sich der Anteil der älteren Raucher nur minimal. Eine andere Studie untersuchte an 264 Schulen den Effekt auf 11- bis 15-Jährige, und auch hier zeigte sich der Raucheranteils signifikant um 33 Prozent vermindert. Die Steigerung des Mindestalters von 16 auf 18 Jahre reduzierte somit bei den 11- bis 17-jährigen Briten den Raucheranteil (nicht nur bei den vom Gesetz direkt betroffenen 16- und 17-Jährigen).
In Schweden wurde 1997 nach einigem Zweifel und Widerstand das Rauchverbot für unter 18-Jährige eingeführt. In drei schwedischen Regionen wurde eine Studie mit mehr als 40.000 Schülern im Alter von 12 bis 16 Jahren durchgeführt. Hier zeigte sich erst nach neun Jahren und nur bei den 15- bis 16-Jährigen in den ländlichen Regionen Värmland und Västernorrland ein signifikant um 35 Prozent reduzierter Raucheranteil - nicht aber in der Stadt Malmö, bei den 13- bis 14-Jährigen oder auf kürzere Sicht. Diese Beobachtung lässt sich vor allem durch die zahnlose Umsetzung des Gesetzes erklären. In der Stadt war es leicht, über Umwege zu Zigaretten zu kommen, und 48 Prozent der minderjährigen Testkäufer erhielten auch noch im Jahr 2005 mühelos Zigaretten.
Im April 2005 wurde Needham, Massachusetts, die erste US-Stadt, in der das gesetzliche Mindestalter für den Verkauf von Tabakprodukten von 18 auf 21 Jahre angehoben wurde. Eine 2016 veröffentlichte Studie mit 16.000 Schülern (14 bis 18 Jahre alt) aus Needham und 16 angrenzenden Gemeinden zeigte, dass sich in Needham der Raucheranteil um 46 Prozent vermindert hatte (von 13 auf 7 Prozent), in den angrenzenden Gemeinden aber nur von 15 auf 12 Prozent gesunken war.
Eine aktuelle Studie des Institute of Medicine hat berechnet, dass eine landesweite Anhebung des Mindestalters auf 21 Jahre den Anteil der 15- bis 17-jährigen Raucher in den USA um 25 Prozent absenken könnte. Es lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass ähnliche Erfolge auch in Österreich auftreten würden. Die Ergebnisse der vorgestellten internationalen Reformen sind jedoch vielversprechend.
Pro & Contra: Rauchverbot unter 18Ein Rauchverbot alleine bringt nichts . . .
Ein Rauchverbot hat in Großbritannien, Schweden und den USA viel gebracht. Es gibt auch andere sinnvolle Maßnahmen, deshalb sollten wir aber nicht auf diese gute Maßnahme verzichten.
Es würde schon reichen das Rauchverbot unter 16 Jahren richtig durchzusetzen . . .
Konsequenzen bei Verstößen gegen Rauchverbote zeigten in Schweden und den USA zwar Wirkung, jedoch kaum in anderen Studien. Ein Rauchverbot unter 18 Jahren hält auch die 11- bis 15-Jährigen vom Rauchen ab (13-Jährige wollen 16 sein, nicht 18 . . .).
Wenn sie wollen, werden Jugendliche trotzdem rauchen . . .
Ja. Aber später, seltener, weniger.
Wir wollen nicht noch mehr
Gesetze . . .
Aktuelle Umfragen für ORF.at zeigen hier eine deutliche Zustimmung. Von einem gesetzlich geregelten längeren Rauchverbot für Jugendliche halten 46 Prozent viel: "Das würde dem europäischem Standard entsprechen."
17 Prozent sind nicht dafür: "Mit Verboten alleine ist es nicht getan." 37 Prozent meinen: "Das macht nur Sinn, wenn zeitgleich auch auf mehr Prävention gesetzt wird." Laut einer US-Studie wird die Anhebung des Mindestalters in den USA auf 21 Jahre derzeit sogar von 75 Prozent unterstützt (auch 70 Prozent der Raucher sind dafür).