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Immer mehr US-Forscher werden nur dann gefördert, wenn ihre Erkenntnisse auch Anwendungen bringen.
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Länder mit hoher Innovationskraft zeichnen sich durch eine freie, von Neugier getriebene Grundlagenforschung aus: Nur so können unerwartete, radikal neuartige Ergebnisse zustande kommen, heißt es. Doch je knapper das Geld, desto interessierter sind Fördergeber am konkreten Nutzen der Wissenschaft, sagt Curtis Frank, Professor für Chemietechnik an der für ihre Innovationskraft bekannten Universität Stanford. Im Forschungsland USA werden daher zunehmend nur Projekte bewilligt, an deren Ende eine Anwendung steht, die der Wirtschaft dient.
"Wiener Zeitung":Sie forschen zu Polymeren an der US-Universität Stanford. Wie bringen Sie eine Entdeckung auf den Markt?Curtis Frank:Eine Anwendung wäre ein synthetisches Material mit einer neuartigen Anordnung von Polymeren. Um Polymere immer wieder neu zu entwerfen, müssen wir sie grundlegend verstehen. Wir betreiben Grundlagenforschung, die vom langfristigen Ziel einer Anwendung getrieben wird - derzeit im Bereich biomedizinische Geräte oder biologisch abbaubare Polymere.
Haben Sie bei der Wahl Ihrer Themen in der Grundlagenforschung die Anwendung im Hinterkopf?
Das müssen wir haben. Die USA haben zwar großes Interesse an Grundlagenforschung, aber die Realität des Förderumfelds ist eine andere. Eine wissenschaftliche Arbeit muss im Kontext eines sichtbaren Problems stattfinden. Das bedeutet zwar nicht, dass man die Gelder für Produktentwicklung oder für kommerzielle Interessen verwenden muss, aber der Steuerzahler will Anwendungen sehen.
Fühlen Sie sich in irgendeiner Weise eingeschränkt?
Ich fühle mich zwar nicht eingeschränkt, aber die Bewilligungsrate ist niedrig. Die Motivation, die man in den Antrag schreibt, ist entscheidend: Wenn die Forschungsarbeit nicht genug Probleme löst, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass der Förderantrag abgewiesen wird.
Der österreichische Wissenschaftsfonds FWF beklagt eine Bewilligungsrate von nur 20 Prozent. Wie hoch ist diese Quote in den USA?
20 Prozent wären wunderbar. Bei der National Science Foundation (NSF) ist die Zahl der Bewilligungen jedoch bis auf zehn Prozent abgefallen, denn in Zeiten knapper Mittel suchen unvergleichlich mehr Forscher um Gelder an. Auch die Höhe der Förderungen sinkt, denn NSF will das Geld möglichst breit verteilen.
Wie viel Zeit verbringen Sie damit, Drittmittel einzuwerben?
Ich verbringe 30 bis 40 Prozent meiner Zeit mit dem Einwerben von Geldern. Hinzu kommen 30 Prozent Lehre und 30 Prozent Forschung, plus Komitee-Mitgliedschaften, Publikationen und Beratung für Forscher, die Entdeckungen vermarkten wollen. Wenn es nach mir ginge, würde ich gerne die Hälfte meiner Zeit für die Forschung aufwenden.
Wie sah Ihre Zeiteinteilung vor der Wirtschaftskrise aus?
Bis 2010 habe ich ein Zentrum für Materialforschung geleitet mit 20 Forschern aus Uni und Industrie und 30 Studenten. Die NSF bezahlte Arbeitsplätze, Geräte und Infrastruktur über 16 Jahre. Jetzt weht ein rauerer Wind.
Manche Institutsgebäude in Stanford sind nach ihren Sponsoren benannt. Wären diese Gönner bereit, auch für Forschung zu zahlen?
84 Prozent der wissenschaftliche Forschung in Stanford wird von der öffentlichen Hand finanziert - Privatmittel kommen am ehesten von Computerfirmen für Forschung in einigen Bereichen. Stanford ist sehr gut darin, hohe Summen für neue Gebäude und Labors zu lukrieren, doch diese Mittel stammen von Mäzenen, die sich verewigen wollen. Für 50 Millionen Dollar steht ein Name auf einem Gebäude, bis es abgerissen wird. Wenn dieselbe Summe in die Arbeit der Studierenden fließt, bleibt nichts, das sichtbar ist.
China investiert massiv in die Forschung. Ist das eine Bedrohung für die Standorte USA und Europa?
Junge Menschen aus China studieren weltweit, tragen ihr Wissen nach Hause zurück und gehen aggressiv in der Entwicklung von Anwendungen vor. Da China seine technologische Kompetenz dramatisch verbessert hat, ist es unser größter Mitbewerber. Was das für die USA und Europa bedeutet, hängt von unserer Risikofreudigkeit ab. Es gibt Gruppen in Deutschland, die mithalten können, überhaupt ist die Wissenschaft in Europa superb. Die USA sind jedoch risikofreudiger bei großen Industrieentwicklungen. Auch für Europa könnte das der richtige Weg sein. Kleinere Bevölkerungsgruppen müssen smarter und aggressiver sein, sonst punktet China durch schiere Zahl.
Zur Person
Curtis
Frank
ist Professor für Chemietechnik und Direktor des Zentrums für Polymerforschung der Universität Stanford in Palo Alto, USA.