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Schwimmender 51-Meter-Turm. | Prominenter Fürsprecher Sarkozy. | Paris. Ein Blick in die unendliche Weite des Ozeans - und Jacques Rougerie konnte nie wieder wegsehen. Bis heute bekommt der Franzose nicht genug von der Erforschung einer Welt auf der Erde, die noch voller Geheimnisse ist: des Lebens unter Wasser. Seine Kindheit verbrachte Rougerie am Strand von Abidjan an der Elfenbeinküste, wo er stundenlang ins Wasser schaute, ohne sich je zu langweilen: "Das Meer in Bewegung hat mich immer fasziniert." Später verschlang er die Erzählungen des Science-Fiction-Autors Jules Verne über Entdeckungen der Ozeane.
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Als Erwachsener träumt Rougerie nicht mehr nur von Abenteuern "20.000 Meilen unter dem Meer", wie sie der französische Schriftsteller in seinem gleichnamigen Roman beschrieb. Durch konkrete Projekte will er selbst tief unter die Meeresoberfläche blicken. "Seefahrer schauen nur auf das Wasser", bedauert der 64-Jährige. "Sie sind blind für die riesige Welt unter ihnen."
Sein aktuelles Vorhaben klingt wie eine Science-Fiction-Utopie. Doch mit dem Observatorium "SeaOrbiter" plant der renommierte Architekt ganz real eine bislang einzigartige, bewohnbare "Raumstation" für Meeresforscher. Die ersten Skizzen zum "SeaOrbiter" entwarf Jacques Rougerie im Jahr 2000 gemeinsam mit dem Astronauten Jean-Loup Chrétien und dem Schweizer Jacques Piccard.
Der Ozeanograf und Taucher Piccard, der 86-jährig im November 2008 starb, gilt als Pionier der Tiefseeforschung. Im Jahr 1969 gehörte er zur Besatzung des amerikanischen Forschungs-U-Boots "Ben Franklin", das sich als erstes Unterwasser-Fahrzeug vom Golfstrom mittragen ließ.
Finanzierung fehlt noch
Rougerie zufolge sind die Pläne für den "SeaOrbiter" inzwischen weit gediehen. 2011 könnte er ihn testweise erstmals ins Wasser lassen und 2012 offiziell eröffnen. Bauen will er ihn gemeinsam mit dem französischen Meeresforschungsinstitut Ifremer, der auf Unterwassertechnik spezialisierten Firma Comex und Sponsoren. Demnächst soll der Auftrag ausgeschrieben werden.
Die Finanzierung steht allerdings noch nicht: Die Bezahlung der Gesamtkosten, die er auf mindestens 35 Millionen Euro schätzt, sei erst zu einem Teil gesichert, gibt Rougerie zu, trotz internationaler Partner wie der Nasa und deren Tiefseeforschungsprogramm "Neemo" und der Europäischen Weltraumbehörde ESA.
In Frankreich hat er mit Umweltminister Jean-Louis Borloo und Präsident Nicolas Sarkozy einflussreiche Fürsprecher. Sarkozy verwies auf das meereskundliche Renommée, das Frankreich durch die Verwirklichung des "SeaOrbiter" ernten könnte. Kritiker befürchten hingegen, andere Projekte würden auf Kosten der millionenteuren Meeresbeobachtung zurückgestellt.
Für Jacques Rougerie aber ist sie erst der Anfang. Er träumt bereits von einem SeaOrbiter in jedem Ozean oder Binnenmeer. Der 64-Jährige, in dem sich die Lust an der Vision mit konkretem Entdeckergeist mischt, betont stets das ökologische Ansinnen seiner Projekte: "Nur wer das Meer besser versteht, respektiert es auch."
In den vergangenen Jahrzehnten hat er zahlreiche Unterwasser-Siedlungen und riesige Aquarien auf der ganzen Welt installiert. Dazu gehören wissenschaftliche Meeres-Zentren in Japan und Frankreich, ein Unterwasser-Museum in Ägypten und der Entwurf der Unterwasser-Stadt "City in the Ocean" in Abu Dhabi, die aus künstlichen Lagunen erwächst. Nichts scheint ihm zu futuristisch, keine Vision zu utopisch. Denn seinen Lieblingsautor Jules Verne hat Rougerie aufmerksam gelesen und sich den markanten Ausspruch gemerkt: "Alles, was sich der Mensch vorstellen kann, können andere Menschen realisieren."
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Wissen: Das Projekt
Insgesamt 51 Meter soll die Station "SeaOrbiter" hoch sein, 31 Meter davon sollen unter der Meeresoberfläche liegen. Beherbergen könnte die gigantische Aluminium-Schale eine 18-köpfige Forschungsmannschaft, darunter acht "Unterwasser-Astronauten" im unterirdischen Teil.
Dieser wird mit großflächigen Fenstern über fünf Stockwerke ausgestattet, durch die die Wissenschafter die Welt unter der Wasseroberfläche beobachten können; vier weitere Stockwerke liegen über der Wasserlinie. Zwei Elektromotoren mit Geschwindigkeiten von bis zu vier Knoten (7,4 Stundenkilometer) lassen Kurskorrekturen zu. Im Regelfall soll das Gefährt nur von der natürlichen Strömung angetrieben werden und lautlos durch das Meer gleiten, damit nicht Motorengeräusche dessen scheue Bewohner vertreiben.
Bis dato sind sehr lange Tauchgänge aufgrund des begrenzten Vorrats an Sauerstoff nicht möglich. Der bisher längste Aufenthalt unter Wasser dauerte 70 Tage und wurde 1992 sechs Meter unter dem Meeresspiegel durchgeführt. Auch "SeaOrbiter"-
Architekt Jacques Rougerie nahm daran teil.