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Der Europäische Rechnungshof will mit Sonderberichten zu aktuellen EU-Debatten an politischer Relevanz gewinnen.
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Wien/Luxemburg. Frustrieren dürfen sich die Rechnungsprüfer nicht lassen. Auch wenn sich die Politik auf ihre Empfehlungen zu mehr Effizienz in der Budgetgebarung nur zögerlich einlässt. Dabei möchte der Europäische Rechnungshof mittlerweile mehr als der Hüter der EU-Finanzen sein: In einer wachsenden Zahl von Sonderberichten widmet er sich unterschiedlichen Themen. Und diese haben durchaus politische Brisanz: Sie reichen von der Integration von Migranten über die EU-Finanzhilfen für die Türkei bis hin zur Nutzung von Regionalförderungen für schwächere EU-Gebiete. Es sind Themen, die unter den Mitgliedstaaten immer wieder für heftige Debatten sorgen.
In diese versuchen sich die in Luxemburg tätigen Prüfer einzubringen. "Wir wollen aus dem Eck der Haushaltskontrolle raus, auch wenn dies weiterhin unsere Aufgabe ist", sagt Klaus-Heiner Lehne, Präsident des Rechnungshofs, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Soeben hat er gemeinsam mit dem österreichischen Vertreter im Hof, Oskar Herics, einen Wien-Besuch absolviert, mit Politikern in Nationalrat und Regierung gesprochen - das übliche Prozedere, bevor ein Land den EU-Vorsitz übernimmt. Österreich ist ab 1. Juli an der Reihe.
Werben um Aufmerksamkeit
Doch handelt es sich keineswegs um eine bloße Höflichkeitsvisite. "Wir versuchen seit ein paar Jahren, noch relevanter zu werden", berichtet Lehne. "Auf der Basis strategischer Vorgaben, etwa Gesetzesvorhaben der EU-Kommission, wollen wir Themen bearbeiten und erfassen, die - wenn unsere Berichte fertig sind - der Politik helfen sollen, besser zu werden." Die Türen zum EU-Parlament seien dabei schon aufgestoßen worden; gute Zusammenarbeit gebe es nicht nur bei der jährlichen Berichterstattung, sondern auch in den Fachausschüssen. Doch würden sich die Prüfer ebenfalls mehr Aufmerksamkeit in den Ratssitzungen, also bei den Treffen der Regierungsvertreter, wünschen.
"Nun sind die Staaten wichtig, wobei unsere Ansprechpartner in der Regel die Finanzminister sind", erklärt der Rechnungshof-Präsident. "Unsere Empfehlungen sollen ja in der künftigen Gesetzgebung berücksichtigt werden. Aber im Rat funktioniert das noch nicht richtig." Deswegen brauche es "couragierte EU-Präsidentschaften, die unsere Berichte interessant finden und auf die Tagesordnung setzen".
Die Anliegen können sich dabei durchaus überschneiden. Ein Beispiel dafür ist das nun beginnende Tauziehen um den mehrjährigen Finanzplan der EU. Während die Kommission die Ausgaben für die Union erhöht sehen will, beharren einige Staaten - darunter Österreich - auf einer Obergrenze von ein Prozent des Bruttonationaleinkommens. Der Zwist um Infrastruktur- und landwirtschaftliche Förderungen, um Prioritäten und Mitgliedsbeiträge wird denn auch Österreich als Vorsitzland stark beschäftigen.
Dabei ist der Ruf nach mehr Flexibilität bei den Ausgaben immer wieder zu hören. Denn die Budgetplanung erstreckt sich über sieben Jahre, und manchmal kann es auch zehn oder zwölf Jahre lang dauern, bis in ein Projekt alle Mittel geflossen sind, die zuvor zugesagt worden waren.
Starres Budget
Die Starrheit in den Strukturen des EU-Haushalts prangert auch Lehne an. Da nämlich das Budget für einen langen Zeitraum fixiert wird, lasse sich in den Jahren dazwischen kaum etwas daran ändern. "Wenn aber eine neue Krise auftritt, wie die Flüchtlingskrise, muss die EU darauf politisch antworten. Dafür braucht sie jedoch Geld, wie das Abkommen zum Grenzschutz mit der Türkei zeigt. Die Mittel aus dem EU-Haushalt sind jedoch blockiert, und das Geld muss von außerhalb kommen. Darum werden dann die Mitgliedstaaten gebeten, und ein neuer Topf wird kreiert. So entstehen bei neuen politischen Aufgaben, die nicht vorauszusehen waren, neue Strukturen, die die Risiken erhöhen und die Transparenz verringern." Statt aber "Satellitenhaushalte" zu schaffen, sollten diese in das Gesamtbudget integriert werden.
Auch Umschichtungen müssten möglich sein, finden die Kontrolleure. Denn die EU werde künftig mehr Geld für Migration, Grenzschutz, aber auch für Bildung brauchen. Dabei kommt nicht zuletzt der EU-Mehrwert ins Spiel - oder etwas, was sich die österreichische Regierung unter dem Schlagwort Subsidiarität als einen Schwerpunkt des EU-Vorsitzes gesetzt hat. Dahinter steckt die Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen regionaler, nationaler und EU-Ebene. Für so manchen Politiker, der in seiner Heimat Wahlen gewinnen will, ist dann die Versuchung groß, die Interessen des Landes über die der Gemeinschaft zu stellen.
Oskar Herics weist darauf hin, dass der zusätzliche - europäische - Nutzen ein zentraler Punkt sowohl bei der Verteilung der EU-Mittel als auch bei deren Prüfung ist: "Es geht um die Frage: Entsteht durch die Förderung ein Mehrwert für die Bürger, für Europa? Geschieht mehr, als ein Mitgliedstaat allein machen kann?" Und wenn Österreich die Subsidiarität in den Fokus rückt, eigne sich zur Veranschaulichung gerade die Debatte um den - ebenso von Österreich geforderten - verstärkten Schutz der EU-Außengrenzen gut. "Das kann ein Land allein nicht bewältigen; das ist eine europäische Aufgabe", betont Herics. Der Mehrwert schließe ja das nationale Interesse nicht aus.
Mehr Geld für Grenzschutz
Im Ringen um eine gemeinsame Flüchtlingspolitik ist das bisher denn auch der einzige Bereich, in dem sich die Mitgliedstaaten einig sind: Die Sicherung der Grenzen ist ein Hauptziel. Die EU-Kommission will dies mit einer deutlichen Erhöhung der Mittel für diesen Bereich sowie für Migration erreichen. Im siebenjährigen Finanzplan für die Jahre ab 2021 soll sich die Höhe dieses Budgetpostens auf 35 Milliarden Euro knapp verdreifachen. Denn nach der Flüchtlingskrise 2015 sei klar, dass die Zuwanderung auch künftig eine Herausforderung für die Europäer bleiben werde. Der Vorschlag der Brüsseler Behörde bedeutet vor allem eine - finanzielle und personelle - Aufstockung für die Grenzschutzagentur Frontex, die auf 10.000 Beamte anwachsen soll.
Der gesamte EU-Haushalt soll nach Wünschen der Kommission 1,3 Billionen Euro schwer sein. Wie viel die Mitgliedstaaten jedoch tatsächlich zur Verfügung stellen werden, ist eben Verhandlungssache.