Wifo-Studie: EU braucht Steuerhoheit. | Abgaben auf Kerosin und Devisentransaktion. | Momentane EU-Budget-Erstellung zu streitanfällig. | Wien. "Wenn das so weiter geht, werden wir uns an die Gurgel springen", prophezeite Wolfgang Schüssel anlässlich der Verhandlungen über das EU-Budget (2007 bis 2013). Denn das Finanzierungssystem ist ausgereizt. Der damals erstellte und hauptsächlich aus nationalen Beitragszahlungen zusammengesetzte Rahmen (durchschnittlich 1,05 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU) ist geringer als der vorhergehende. Dazu kommt, dass die traditionellen Eigenmittel der EU, wie etwa Zölle, immer mehr an Bedeutung verlieren - auch weil die Grenzen fallen. Die Einnahmen-autonomie der EU fällt.
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"Dabei muss die EU immer mehr finanzieren, schon allein durch die Erweiterung: Ohne Transferzahlungen können die Divergenzen zu Rumänien und Bulgarien nie beseitigt werden", so Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), die eine Studie zu Alternativen zum EU-Budget gemacht hat.
EU: Eigene Einnahmen?
"Es ist allen Beteiligten klar, dass es so nicht weiter geht." Immer wieder als Lösung im Gespräch ist dabei eine eigene, von der EU eingehobene Steuer. Anbieten würde sich eine derartige Abgabe etwa auf den Flugverkehr (Kerosin) und Devisentransaktionen. "Beides Dinge, die bisher steuerfrei geblieben sind. Und beides Dinge, die man nur besteuern kann, wenn alle Länder mitziehen", meint Schratzenstaller. Doch mit einem laut Wifo realistischen Steuersatz (rund 30 Cent auf einen Liter Kerosin und 0,02 Prozent auf Devisen) könnte man auf einen Schlag rund ein Viertel des aktuellen Budgets lukrieren. Und man könnte veraltete Regelwerke aufbrechen: Die Steuerfreiheit auf Kerosin geht zurück auf ein Abkommen im Jahr 1944, als der zivile Flugverkehr fast nicht vorhanden war. "Mittlerweile wäre eine solche Steuer sowieso auch aus umwelttechnischen Gründen sinnvoll."
Parallel wären auch eine Steuer auf Mineralöl oder eine harmonisierte Körperschaftsteuer denkbar.
Doch dass der EU eine Steuerhoheit zugestanden wird, dafür wäre eine Einstimmigkeit der Mitgliedsländer notwendig. Und die wollen nur selten ein Stück an Autonomie abgeben. Andererseits könnten sie sich der leidigen Budget-Beißereien zumindest zum Teil entledigen. Denn der Beitrag aus den nationalen Töpfen würde dann jedenfalls geringer werden.
Wenn die EU-Steuer hoch genug bemessen ist, wäre jedenfalls Spannung aus den Verhandlungen um den mehrjährigen Finanzrahmen genommen, heißt es im Wifo. Auch Projekte wären längerfristig planbar.