Zum Hauptinhalt springen

"Raus aus der Geschirr-Schublade"

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Der neue Gmundner-Keramik-Chef Jakob von Wolff will bewusst mit dem neuen Marktauftritt des Traditionsbetriebes provozieren: "Die Marke muss wieder ins Gespräch gebracht werden."
© Wiener Zeitung

Marke mit neuem unkonventionellen Auftritt, aber traditionellen Mustern.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. "Hausgemachte Fehler" haben die Gmundner Keramik Manufaktur ins Trudeln gebracht: Der oberösterreichische Traditionsbetrieb schreibt seit Jahren Verluste, zudem wurden "Vertriebspartner vergrault und zu wenig kommuniziert", lautet die Selbstkritik. Zwar steht in vielen heimischen Haushalten zumindest ein Stück des handgefertigten Geschirrs. Die Marke wird aber häufig als verstaubt empfunden - erinnert sie doch viele an das typisch grün gemusterte Geschirr im Schrank der Großeltern.

Die anhaltenden Imageprobleme haben die Eigentümer - die Familie Graf von Moy und die deutsche Grünwald Equity Holding - erkannt und einen neuen Geschäftsführer an Bord geholt. Seit Anfang Juli ist Jakob von Wolff Chef von Gmundner Keramik. Der 37-Jährige mit österreichisch-deutscher Doppelstaatsbürgerschaft stellte zuvor den Musikinstrumentehersteller B&S in Sachsen neu auf. Zwischen seiner vorigen Tätigkeit und der neuen Aufgabe bei Gmundner Keramik sieht er viele Parallelen: "Beides sind altehrwürdige Marken, traditionelle Geschäftsfelder, und es sind emotionale Produkte, die in einer Manufaktur hergestellt werden."

Produktkatalog mit sich räkelnden Frauen polarisiert

Bei Gmundner Keramik gab es zuletzt "viele Irrungen und Wirrungen", sagt von Wolff: "Als ich im Unternehmen angefangen habe, habe ich erkannt, dass schnelles Handeln dringend nötig ist." Daher habe er nicht lange gefackelt: Rasch wurde ein neuer Marktaufritt - "jenseits des Gewöhnlichen" - entwickelt, der polarisiert: Im neuen Katalog räkeln sich Frauen, teilweise in Dessous oder Kleidchen, auf dem Sofa. Doch von Wolff will bewusst provozieren: "Ich glaube eher, dass wir mit Fotos von sich räkelnden Frauen ins Gespräch kommen als mit Bildern eines gedeckten Tisches".

Denn die Marke soll "raus aus der gedanklichen Geschirr-Schublade" - und als schicke Lifestyle-Marke gesehen werden. Künftig soll klar vermittelt werden, wofür Gmundner Keramik steht: Handarbeit, Produktion zur Gänze in Gmunden, kräftige Farben auf weißem Untergrund und die Möglichkeit, unterschiedliche Designs zu kombinieren.

Weil immer mehr Hochzeitspaare bereits vor der Heirat zusammenwohnen, steht Gmundner oft nicht mehr ganz oben auf der Hochzeitsliste. In Zukunft soll die Marke aber nicht nur mit Hochzeit in Verbindung gebracht werden. Zur Zielgruppe zählen Kunden ab 30, "die sich an schönen Dingen erfreuen und Einzigartigkeit suchen", sagt Wolff. Zuhause fühlt sich die Marke im gutbürgerlichen Milieu. Trotz des stolzen Preises - eine Kaffeetasse kostet ab 12 Euro, ein großer Teller ab 23 Euro - "muss man nicht reich sein, aber emotional beseelt sein, um Gmundner zu kaufen. Sonst kann man zu Ikea-Geschirr greifen", sagt der Firmenchef. In der Gastronomie sei das Keramikgeschirr kaum zu finden, weil es zu fein im Gebrauch sei. Es gebe aber Kooperationen mit Hotels wie dem Stanglwirt in Tirol.

Bei Produkten und Mustern wird auf das Bestehende gesetzt: Die Klassiker "grün geflammt" und "Streublume" sind die Verkaufsschlager. In Deutschland, dem einzigen relevanten Exportmarkt, ist das Hirsch-Design beliebt. Die Exportquote beträgt 25 Prozent. Auch nach Japan, Korea und Dubai wird Gmundner Geschirr verkauft - jedoch nur in kleinen Mengen. Derzeit werden weitere Vertriebspartner in Deutschland und der Schweiz gesucht. Zudem sollen persönliche Gespräche mit Fachhändlern den Absatz steigern.

Noch heuer wird ein Online-Shop eröffnet, von dem sich der Firmenchef eine stärkere Positionierung der Marke, aber keinen großen Umsatzschub erwartet. "Dazu bieten wir ein zu haptisches Produkt an." Denn: Geschirr muss man angreifen können.

Aus für Rabattaktionen schmälern den Ertrag

Wegen voller Lager wurde die Produktion heuer im Mai stillgelegt, 80 der insgesamt 120 Mitarbeiter mit Wiedereinstellungszusage gekündigt. Eine neuerliche Stilllegung sei in absehbarer Zeit zwar nicht geplant, aber nicht ausgeschlossen. In den vergangenen Jahren schrieb die Gmundner Keramik Manufaktur GmbH laut Wirtschaftsauskunftei Creditreform Verluste - im Vorjahr rund 270.000 Euro, bei einem Umsatz von 9,6 Millionen Euro. 2010 betrug der operative Verlust 903.000 Euro. Für heuer rechnet von Wolff lediglich mit sieben bis acht Millionen Euro Umsatz, weil es keine Rabattaktionen und Einmalgeschäfte mit Handelsketten gebe.

Den neuen Markenauftritt lässt sich die Firma einen "mittleren sechsstelligen Betrag" über einen mehrjährigen Zeitraum kosten. "Ungewöhnlich hohe Kosten für Werbung und Kommunikation wirken heuer als Ertragsdämpfer, sind aber notwendig für eine langfristig solide Entwicklung." Zwar werde Gmundner Keramik nie ein boomendes Mega-Geschäft, aber "es soll seine adäquat profitable Nische finden".