Der Sozialkommissar der Europäischen Union hat recht: | Investitionen in Pflege und Betreuung rechnen sich.
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EU-Sozialkommissar Laslo Andor nahm die anhaltende wirtschaftliche Krise und die stagnierenden Konjunkturdaten zum Anlass, mit dem "Social Investment Package" einen offensiven Weg aus der Krise vorzuschlagen. Andor will in soziale Infrastruktur und Dienstleistungen investieren, um Europa schneller aus der Krise zu holen. Er spricht dabei von Investitionen in unsere Kinder, in Gesundheit und Pflege. Dort können Gelder effektiver eingesetzt werden, und der Bedarf an Investitionen kann rasch gedeckt werden.
Dass ein europäischer Spitzenpolitiker das Potenzial von Investitionen in soziale Dienstleistungen erkannt hat, beweist, dass die Zeichen der demografischen Entwicklung unübersehbar sind. In den kommenden Jahren wird die Gesellschaft in Europa altern, die Kosten für Gesundheit und Pflege werden steigen, und gut ausgebildete junge Menschen werden, angesichts einer fehlenden Migrationsstrategie seitens der Europäischen Union, zur Mangelware werden. Die Last, die unsere Kinder zu tragen haben werden, wird umso größer, je länger wir zuwarten.
Investitionen in Pflege, in Kindergärten, in den Zugang zu Gesundheitseinrichtungen oder auch in präventive Programme für frühe Schulabbrecher sind nicht nur für die betroffenen Menschen sinnvoll, sie helfen auch den Angehörigen, meist Frauen, die informelle Betreuungs- und Versorgungsleistungen im familiären Verband übernehmen. Zudem werden Dienstleistungen wie mobile Pflege und Betreuung oder auch Kindergärten vor Ort und daher regional benötigt. Dies bewirkt einen Wachstumsschub auch in strukturschwächeren Gebieten, wo neben Betreuungsangeboten Arbeitsplätze fehlen.
Dies würde auch dazu führen, dass Qualifikationen von Migranten besser eingesetzt werden können. Eine Kaste von akademisch geprüften Taxilenkern bringt niemandem etwas, weder den Migranten noch den Österreicher, die auf eine funktionierende soziale Infrastruktur angewiesen sind.
Schon heute arbeiten innerhalb der Europäischen Union etwa zehn Prozent aller Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich, Österreich liegt hier knapp unter dem Durchschnitt der 27 EU-Staaten und weist somit ein hohes Ausbaupotenzial zum Beispiel bei nicht stationärer Pflege und Betreuung auf. Zudem werden hier fünf Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet - ein enormer Beitrag, der gleichermaßen soziale wie ökonomische Wirkung zeigt. Dass hierzulande bei konjunkturbelebenden Maßnahmen noch immer zuerst an absterbende Automobilsektoren und alte Industriezweige gedacht wird, statt in Menschen zu investieren, stimmt traurig. Man erinnere sich an die Abwrackprämie zu Beginn der europäischen Wirtschaftskrise.
Je später die soziale Versorgung auf die demographischen Erfordernisse angepasst wird, desto länger werden wir als Gesellschaft dafür bezahlen. Deswegen sollte die österreichische Regierung den Ruf aus Brüssel hören und möglichst schnell die Vorschläge des EU-Sozialkommissars aufgreifen.