Der österreichischen Baumarktbranche geht es gut. Strategien gegen die wachsende Online-Konkurrenz könnten kleinere Märkte und bessere Kundenberatung sein.
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Wien. Rund 2,7 Milliarden Euro Gesamtumsatz erwirtschaften die heimischen Baumärkte jährlich. Erster im Ranking ist die Baumarktkette Obi mit einem Marktanteil von rund 30 Prozent, gefolgt von Raiffeisen Ware Austria (Lagerhaus), Bauhaus, Hagebau und Hornbach. "Für den Baumarkthandel in Österreich war 2017 ein erfolgreiches Geschäftsjahr und mit Blick auf die prognostizierte Wirtschaftsentwicklung erwarten wir auch für 2018 ein Umsatzwachstum", freut sich Peter Wüst, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Heimwerken, Bauen und Garten (BHB), der die Interessen von Handelsbetrieben aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vertritt.
Laut BHB hat der heimische Baumarkthandel 2017 ein Umsatzwachstum von 2,6 Prozent, auf bereinigter Verkaufsfläche von 0,7 Prozent erwirtschaftet. Etwas konservativer fällt der Befund des Marktforschungsunternehmens Regiodata aus. "Nur weil die Konjunktur anspringt und die Leute mehr Geld zur Verfügung haben, heißt das nicht, dass das Geld eins zu eins in den Bau- oder Do-it-yourself-Sektor geht", sagt Regiodata-Geschäftsführer Wolfgang Richter zur "Wiener Zeitung". "Wir gehen für 2017 davon aus, dass die Branche etwas geringer als die Inflationsrate gewachsen ist, was real einen leichten Rückgang bedeutet." Insgesamt sieht Richter die Branche zweieinhalb Jahre nach der Baumax-Pleite aber in ruhigem Fahrwasser.
Wachstumstreiber Gartensektor
Wachstumstreiber waren laut BHB vor allem die Warengruppen Automotive (plus 8,7 Prozent) und Gartenausstattung (plus 5,5 Prozent). Letzteres sei wenig überraschend, so Richter: "Der Gartensektor legt seit zehn Jahren kontinuierlich zu. Gartencenter übernehmen ja immer öfter die Funktion kleiner Gärtnereien, weil die zunehmend verschwinden. An manchen Standorten macht der Garten- und Outdoor-Sektor deshalb bereits ein Drittel des Umsatzes aus."
Investiert haben die Baumarktketten im Vorjahr laut BHB nicht in Fläche, sondern vermehrt in den Aus- und Umbau vorhandener Märkte und in ihr Online-Angebot. "Auch 2017 war geprägt von der digitalen Transformation des Handels und der nachhaltigen Verzahnung von Stationär- und Onlinegeschäft", sagt BHB-Geschäftsführer Wüst.
Dass Investitionen aktuell in Richtung Online-Handel und Logistik gehen, bestätigt auch Regiodata-Chef Richter. Dass die Baumärkte von der Digitalisierung bisher nennenswert profitieren, sieht er aber kritisch. "Wir wissen schon lange, dass die meisten Bohrmaschinen von Amazon verkauft werden. Die Online-Profiteure sind also nicht die stationären Baumärkte, die einen Onlineshop haben, sondern einerseits ‚Pure Player‘ wie Amazon, und andererseits Spezialisten-Portale, die von der Sortimentstiefe viel besser aufgestellt sind als der größte Baumarkt."
Richter geht davon aus, dass 2017 rund zehn Prozent dessen, was heimische Konsumenten insgesamt für das Baumarktsortiment ausgegeben haben, im Onlinehandel gelandet ist. Tendenz stark steigend. Die beste Strategie gegen die Abwanderung von Umsätzen in Richtung Internet sei daher der Ausbau qualitativer Beratung in den Märkten, ist Richter überzeugt. "Nachdem aber heimische Baumärkte meist nicht gerade mit Beratungsqualität punkten, fürchte ich, dass die Chancen, durch den persönlichen Kontakt Umsätze zu generieren, nicht gut stehen", ist der Branchenkenner skeptisch. Sein Rat: Um die Beratungssituation zu verbessern, müsse man den Beschäftigten künftig "wohl mehr zahlen als den Mindestlohn".
Kleinere Betriebstypen
Noch ein Trend mache sich bemerkbar: "Schon jetzt gehen die Verkaufsflächen leicht zurück, und diese Entwicklung wird sich langsam aber stetig fortsetzen", prophezeit Richter. "Hornbach mit seinen riesigen Flächen überlegt bereits, kleinere Betriebstypen zu entwickeln. Wie das funktionieren kann, sieht man an internationalen Beispielen wie dem britischen Baumarktkonzern Kingfisher." Kingfisher hat mit seiner Tochter Screwfix vor allem Profi-Handwerker und Heimwerker im innerstädtischen Bereich im Visier. Herausstechendes Merkmal der Screwfix-Läden: Relativ kleine Flächen, eine breite Theke und freundliches Servicepersonal. Da die Ware hauptsächlich in Regalen hinter der Theke verstaut ist, läuft bei Screwfix nicht der Kunde, sondern der Verkäufer. Ist die Bestellung aufgegeben, wird ein Mitarbeiter per Handscanner auf dem kürzesten Weg durch die Lagerhalle navigiert. Der Kunde wartet währenddessen entspannt bei einer Gratistasse Kaffee, bis ihm seine Bestellung nach wenigen Minuten ausgehändigt wird.