Temperatur ist besser vorhersagbar als Niederschläge. | Klima-Dynamik liegt zwischen zwei Raster-Punkten. | Wien. Ohne Verminderungen der Treibhausgas-Emissionen könnte die globale Durchschnittstemperatur bis 2100 um bis zu sieben Grad Celsius ansteigen, schlugen 26 führende Wissenschafter in ihrer "Copenhagen Diagnosis" kurz vor dem Klimagipfel Alarm. Seit 1998 bremse sich der Temperaturanstieg sichtbar ein, gab zeitgleich die US-Weltraumbehörde Nasa bekannt.
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Kaum eine Wissenschaft trägt ihren Wissensstand so kontinuierlich und regelmäßig zusammen wie die Klimatologie. Doch warum unterscheiden sich die Daten von Bericht zu Bericht?
"Die "Copenhagen Diagnosis" ist eine Zusammenstellung vorhandener Daten. UNO-Klimaberichte beruhen dagegen auf rund 35 Szenarien für die Zukunft", erklärt Reto Knutti vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich. Weltweit gebe es an die 500 verschiedene Gruppen, die Klima-Vorhersagen erstellen. Die Forscher berechnen auf der Basis derselben physikalischen Grundlagen, benutzen jedoch unterschiedliche Vereinfachungsmethoden.
An den regelmäßigen Klimaberichten der UNO-Organisation IPCC, die die Grundlage für Weltklimagipfel darstellen, arbeiten rund 1000 Wissenschafter. Die IPCC-Studien beruhen auf sogenannten Klimaszenarien, die bestimmte Annahmen über die künftige Entwicklungen treffen. Daraus werden mögliche Folgen für das Klima abgeleitet.
Globale Temperaturen
Wenn die Weltbevölkerung in den nächsten Dekaden kaum wächst, umweltbewusst agiert und wenig fossile Brennstoffe verwendet, ist demnach mit einem globalen Temperaturanstieg von "nur" zwei Grad zu rechnen. Schlimmere Auswirkungen brächte das sogenannte "Business as usual"-Szenario - also wenn wir weitermachen wie bisher. Noch schlimmer ist jedoch die Realität. "In Tat und Wahrheit ist der Verbrauch fossiler Brennstoffe nicht gesunken oder gleich geblieben, sondern in unerwartetem Ausmaß gestiegen, besonders in Schwellenländern", sagt Knutti.
"Die Richtigkeit der Vorhersagen hängt davon ab, welche Grundananehmen zutreffen", bestätigt Helga Kromp-Kolb, Leiterin des Instituts für Meteorologie der Universität für Bodenkultur in Wien: "Aktuell bezieht sich die Diskussion auf den IPCC-Bericht 2007. Doch das konkrete Problem ist, dass wir heute mehr emittieren denn je. Daher fallen wir jetzt in ein Szenario, das zur Folge hat, dass die Temperaturen bis 2100 nicht um vier bis fünf, sondern um sechs bis sieben Grad steigen werden". Das IPCC-Szenario aus 2007 könnte also demnächst unbrauchbar werden.
"Modelle sind nie exakte Reproduktionen der Realität", verteidigt Kromp-Kolb die Wissenschaft. Klima-Szenarien für die Zukunft punktgenau zu errechnen, sei kaum möglich, insbesondere wenn Faktoren wie eine Wirtschaftskrise hinzukämen, die 2008/09 zu reduzierten Stahl-Emissionen geführt habe. Auf Basis der Grundannahmen werden die möglichen Auswirkungen am Computer berechnet.
Die Computerkapazitäten reichen jedoch nicht aus, um sich mit den Resultaten bis ins kleinste Detail zu beschäftigen. "Eine Wolke von 20 mal 20 Kilometer ist derart kleinräumig, dass es in den globalen Berechnungen nicht dargestellt werden kann", erklärt Kromp-Kolb. Daher überziehen die Forscher die Erde auf dem Computer mit einem Gitterraster, dessen Punkte 150 Kilometer voneinander entfernt sind. Nur die Punkte werden berechnet. Aus den Unterschieden zwischen ihnen ergibt sich die Dynamik im globalen Klimasystem.
Regionale Bedingungen
Will man sich den Klimawandel in Österreich anschauen, fängt man mit einem 150-Kilometer-Raster nichts an. Um die Daten zu regionalisieren, nehmen die Forscher die globalen Ergebnisse als Randbedingungen an und errechnen, wie sich diese auf bestimmte Topografien auswirken unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten, wie in Österreich etwa der Fön.
Doch auch beim Herunterrechnen gibt es Methodenunterschiede. Nach der älteren, statistischen Methode studieren die Wissenschafter die Temperaturen in Wien der letzten 60 Jahre und vergleichen sie mit dem europäischen Mittelwert. Wenn es in Wien immer um ein Grad kälter ist als im Großraum Europa, geht man davon aus, dass das auch in Zukunft so bleiben wird. Diese empirische Art der Messung hat jedoch die Schwäche, dass sie voraussetzt, dass der Zusammenhang gleich bleibt - trotz Klimawandel.
Die neuere Methode ist, den globalen 150-Kilometer-Raster schrittweise herunterzurechnen auf einen Ein-Kilometer-Raster. Konsistenterweise wird hier dieselbe Art der Berechnung für Groß- und für Kleinräumiges verwendet. Jedoch können sich durch die schrittweise Kleinrechnung Fehler vermehren.
Die Modelle werden durch den Vergleich mit den empirischen Daten aus der Vergangenheit validiert und in mehreren Durchgängen mit jeweils leicht veränderten Annahmen gerechnet. Dadurch sieht man die Langzeitentwicklung innerhalb einer Bandbreite. "Die Aussage, dass es wärmer wird um zwei bis sechs Grad, ist dadurch relativ robust", erklärt Kromp-Kolb. Anders verhält es sich mit Niederschlägen: Da nicht alle Gewitterwolken im globalen Netz fassbar sind, ist eine weltweit exakte Niederschlagmessung schwierig zu bewerkstelligen. Hingegen ist der Schmelzprozess der Gletscher von der Temperatur abgeleitet und lässt sich daher exakter messen.
Bis die Realität erneut die Grundannahmen überholt.