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In Wien fordert eine Initiative Politiker auf, in Kindergärten zu schnuppern. Es geht, natürlich, um mehr Geld.
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Die Initiative "Elementare Bildung Wien", die im Wesentlichen aus den privaten Kindergartenträgern in der Bundeshauptstadt besteht, fordert mehr Personal und kleinere Gruppen. Wie in der Pflege bleiben auch hier viele Stellen unbesetzt, weil sich keine Bewerberinnen und Bewerber finden. Um ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen, lädt die Initiative nun Politikerinnen und Politiker, vom Bildungsminister abwärts, ein, im Kindergarten zu hospitieren. Erste Freiwillige haben sich gemeldet, allerdings aus den Reihen der Wiener Opposition, die nur - aus Sicht der Initiative - den Nachteil haben, dass sie beim Geldverteilen wenig bis nichts mitzureden haben.
Dazu muss man wissen, dass Ende August die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Finanzierung der Kindergärten ausläuft und Verhandlungen über eine neue laufen. Auch deshalb richtet sich die Einladung für ein eintägiges Schnuppern an Politiker in Regierungsfunktion.
Die Idee, Politikern die Lebensrealität derjenigen näherzubringen, über die sie entscheiden, ist nicht neu. Der legendenumwobene Abbasiden-Kalif Harun al-Rashid soll sich, um authentische Informationen über sein Image zu sammeln, inkognito in den Straßen Bagdads herumgetrieben haben. Heutzutage undenkbar, denn wenn bei etwas keine Kameras dabei waren, hat es nicht stattgefunden. Aber schon die Inszenierung von Interesse signalisiert, dass das Thema als relevant genug anerkannt wird.
Das ist natürlich Populismus in Reinkultur, nicht in seiner polarisierenden, aufhetzenden Variante, sondern durchaus sympathisch und Empathie heischend. Weil die Reihen der Politik fast nur noch aus Beamten, Vollzeitpolitikern oder Lobbyisten bestehen, ist den Regierenden in den Augen von immer mehr Menschen das Gefühl wie das Wissen um die echten Sorgen der Bürger verloren gegangen. Natürlich ist auch das ein Stereotyp, aber eines, das auf viel Zustimmung stößt.
Professionelle Öffentlichkeitsarbeit weiß das, und manchmal verschwimmen die Grenzen zum Journalismus, etwa wenn ein großes Boulevardblatt Wiens Spitzenkandidaten vor der Wahl in den Traumjobs ihrer Kindheit inszeniert (unvergessen Bürgermeister Michael Ludwig im orangenen Overall der 48er).
Am Ende sollten trotzdem über die Mittelzuteilung in einem Staat weder die Qualität von PR-Aktionen noch unsichtbare, aber tragfähige Netzwerke entscheiden. Dass die Elementarpädagogik mehr Mittel benötigt, sollten die Verantwortlichen auch so wissen. Ein Schnuppertag mit dutzenden Kleinen hat trotzdem noch keinem Politiker geschadet.