Zum Hauptinhalt springen

Realitätssinn statt Was-wäre-wenn-Gejammer

Von Tamara Arthofer

Kommentare
Tamara Arthofer
Tamara Arthofer ist Sport-Ressortleiterin.

Auch wenn es für die Champions League noch nicht gereicht hat, sind die Perspektiven für Rapid gut.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Reflexartig waren sie da, die Was-wäre-wenn-Gedanken. Was wäre gewesen, hätte Robert Beric auch in der hitzigen Schlussphase des Champions-League-Play-off-Rückspiels gegen Schachtar Donezk kühlen Kopf bewahrt und diesen um Millimeter anders geneigt, sodass der Ball nicht neben, sondern ins Tor gegangen wäre? Was wäre gewesen, hätte Philipp Prosenik beim Stand von 2:2 wenige Sekunden vor Schlusspfiff noch für einen Knalleffekt statt einen Knall an die Außenstange gesorgt? Oder was wäre gewesen, hätte man sich nicht mit bösen Schnitzern sowohl im Hin- als auch im Rückspiel die Gegentreffer eingefangen? Doch anstatt sich in konjunktivistischen Gedankenspielchen zu verlieren, muss, nein, darf sich Rapid nun einer Realität stellen, die so schlecht beileibe nicht ist. Zwar heißt es nun statt Champions League Europa League, dort haben die Hütteldorfer aber gute Perspektiven, sportlich wie finanziell. Einnahmen von 5,4 Millionen Euro sind garantiert, dazu kommen die Erlöse aus dem Kartenverkauf und mögliche Punkteprämien. Denn dass die Mannschaft von Trainer Zoran Barisic das Potenzial hat, dort sportlich zu reüssieren, bezweifelt nach den Auftritten gegen Ajax Amsterdam und Schachtar niemand mehr. Auch gegen die Ukrainer war der Unterschied längst nicht so groß, wie die Differenz im Marktwert des Kaders - 140 versus 20 Millionen Euro - würde vermuten lassen. Die zwischenzeitlich aufscheinenden spielerischen Unterschiede konnten die Rapidler mit Einsatz und Kampf fast wettmachen. Aber eben nur fast. Denn bei aller nun aufkommenden Fan-Euphorie über die heroische Leistung: Es war nicht nur das fehlende Glück, es waren auch bisweilen haarsträubende Fehler in der Zuordnung in der Defensive sowie unnötige Ballverluste im Mittelfeld, die den Spielfluss noch zu oft unterbrechen und ein notwendiges schnelles Umschalten erschweren. Wenngleich der Mannschaft deswegen kein Vorwurf zu machen ist, muss Rapid daran nun arbeiten, will man das Traumziel Champions League in den kommenden Jahren tatsächlich erreichen.

Die Voraussetzungen sind gegeben: Zwar ist der Abschied von Torjäger Robert Beric mit dem Champions-League-Ausscheiden wahrscheinlicher geworden, man ist aber finanziell nicht (mehr) gezwungen, ständig Leistungsträger abzugeben. Und wenn es gelingt, den Kern der Mannschaft länger zusammenzuhalten, verfügt man über einen Kader, der a) talentiert, b) jung, dadurch c) weiter entwicklungsfähig ist, der d) Spiel- und Vereinsphilosophie verinnerlicht hat und e) auch personell stark genug ist, die (ohnehin überstrapazierte) Doppelbelastung aus Liga und Europacup auszuhalten.

Jetzt muss Rapid den Weg der Konstanz, der vor rund eineinhalb Jahren eingeschlagen wurde - und den man mittlerweile Red Bull Salzburg, zuletzt auch international bedeutendste rot-weiß-rote Kraft, voraushat -, konsequent weitergehen. Auch dann kann zwar die Champions League weiterhin nur ein Zuckerl, nie Selbstverständlichkeit sein. Doch Fragen nach dem "Was wäre, wenn" erübrigen sich dann automatisch.