Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wirtschaft und Technologie mögen unser Leben in einem zuvor kaum denkbaren Ausmaß und Tempo verändern, Staaten mögen zerfallen, in Österreich aber scheinen die Uhren manchmal bis zum Stillstand langsamer zu gehen. Dies gilt besonders für die Sicherheitspolitik, wo bis heute viele nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass unser Land Teil einer Staatengemeinschaft ist, die bei der gemeinsamen Erhaltung von Stabilität und der Schaffung von Sicherheit für einen größeren Raum an solidarischen Beiträgen höchstes Interesse (und auch ein gutes Anrecht) hat.
So tauchen in der Diskussion um die Nachbeschaffung von Abfangjägern Argumente auf, die bereits in den 17 Jahre (!) dauernden Kontroversen um den Ankauf des Vorgängermodells Verwendung fanden. Auf diese hier einzugehen erübrigt sich. Relevant sind jene, die von der geänderten sicherheitspolitischen Lage abhängig sind. Dabei fällt zunächst das Schlagwort von der weggefallenen militärischen Bedrohung ins Auge. Selbst wenn dies tatsächlich auch für die entferntere Zukunft gelten sollte, änderte das für einen souveränen Staat nichts an der Notwendigkeit, seinen Luftraum zu sichern. Ohne Abfangjäger wäre Österreich etwa nicht in der Lage, Überflüge von (militärischen oder zivilen) Transportmaschinen zu verhindern, die internationalem Recht widersprechen. Im Schnitt sind pro Jahr 20 bis 30 derartiger Fälle zu verzeichnen, in denen Abfangjäger zur Erfüllung luftpolizeilicher Aufgaben herangezogen werden. Man vergegenwärtige sich die Reaktionen unserer EU-Partner, wenn etwa toxisches oder spaltbares Material ungehindert über österreichischen Luftraum eingeflogen werden könnte.
Ein weiteres Argument ist, dass Österreich sich zunächst entscheiden müsse, ob es neutral zu bleiben gedenkt oder sich zu einer wie immer gearteten Beistandsverpflichtung bekennen will. Dann erst solle die Abfangjägerfrage entschieden werden, weil in einem Bündnis Aufgabenteilung möglich wäre und somit auf die Beschaffung überhaupt verzichtet oder zumindest die Stückzahl geringer gehalten werden könnte. Dies ist größtenteils ein Trugschluss. Selbst in jenen Ausnahmefällen, in denen sich Bündnismitglieder die Luftraumsicherung teilen, trägt jeder beteiligte Staat durch eigene Flugzeuge aliquot dazu bei. Praktisch alle NATO-Mitgliedsstaaten planen die Nachbeschaffung von Abfangjägern genau so wie die neutrale Schweiz in den 90er Jahren 34 Stück des amerikanischen Typs FA-18 einführte. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass diese Entscheidungen (in der Schweiz im Übrigen auf Basis eines Volksentscheids) aus der Erkenntnis der Notwendigkeit getroffen wurden, und die Regierungen dieser Staaten das Steuergeld der Bürger nicht mutwillig verschwenden.
Subtiler ist schon jenes Argument, das die Realität der (auch de jure) eingegangenen Verpflichtungen Österreichs zur sicherheitspolitischen Solidarität im EU-Rahmen zur Kenntnis nimmt, aber meint, die Beteiligung unseres Landes solle sich auf präventive Diplomatie, ziviles Krisenmanagement und im militärischen Bereich bestenfalls auf humanitäre Hilfeleistung und Peacekeeping traditioneller Art beschränken. Daher könne auf militärisches Großgerät, eben auch auf Abfangjäger, verzichtet werden.
Diese Argumentation negiert sowohl die realen Interessen der Partnerstaaten wie auch den geänderten Charakter moderner Konflikte. Naturgemäß kann von Regierungen anderer Länder, die wie die eigene den Steuer zahlenden Bürgern Rechenschaft schuldig sind, nicht erwartet werden, zu akzeptieren, dass ein Land, das zu den reichsten der Welt zählt, sich die "billigsten" Aufgaben zumisst, während sie selbst dann überdimensional beizutragen hätten. Wie die oftmals von freischärlerhaften Gruppierungen getragenen Konflikte am Balkan und im Kaukasus zeigen, findet traditionelles Peacekeeping darüber hinaus kaum noch Raum vor. Dort zur Wiederherstellung des Friedens eingesetzte militärische Kräfte müssen so robust - d.h. durch Großgerät geschützt - sein, dass sie über ein breites Spektrum von Eskalationsmöglichkeiten in der Lage bleiben, ihre Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehört die Sicherung des Luftraumes.
Damit bleibt letztlich als Faktum, dass Österreich, will es sich selbst als souveräner Staat ernst nehmen und von außen ernst genommen werden, auch ab 2004 über eine aktive Komponente der Luftraumsicherung und damit Abfangjäger verfügen muss. Die Entscheidungen dafür sind jetzt zu treffen.
Gerald Karner ist Oberst des Generalstabes im Ministerium für Landesverteidigung