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Rebellen-Fraktionen stecken in Tripolis ihre Claims ab

Von Michael Schmölzer

Politik

Übergangsrat versucht fieberhaft, einen Militärchef zu installieren. | UNO-Soldaten zur Friedenssicherung abgelehnt.


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Tripolis. In die Erfolgsmeldungen des libyschen Übergangsrats über die Verhaftung von Ex-Außenminister Abdelati al-Obeidi und Muammar Gaddafis engem Vertrauten Abdallah al-Hijazi mischt sich auch Skepsis. Denn die politische Führung der Rebellen hat massive Schwierigkeiten, die eroberte Hauptstadt Tripolis einem zentralen Militärkommando zu unterstellen. Die zahllosen Kampfeinheiten, die aus ganz Libyen stammen, rivalisieren dort miteinander. Tripolis ist bereits in verschiedene Territorien aufgeteilt, über die die einzelnen Fraktionen eifersüchtig wachen, berichtet die "New York Times".

Der internationale Flughafen ist unter der Kontrolle von Kämpfern aus der Bergstadt Zintan. Männer aus Misrata beanspruchen die Gegend rund um Zentralbank, Hafen und Regierungssitz. Berber aus Yafran wachen über den zentralen Platz. Die jeweiligen Einflussgebiete sind mit Graffiti markiert, auf den Mauern des Grünen Platzes prangt etwa der Schriftzug "Yafran-Revolutionäre".

Die politische Führung der Rebellen weiß, dass die Situation brandgefährlich ist und sie rasch eine zentrale militärische Führung bilden muss, um Chaos und neue Kämpfe zu verhindern. Mahmoud Jibril, der Premier des Nationalen Übergangsrats, wollte erst den früheren Armeegeneral Albarrani Shkal als Militärchef von Tripolis etablieren. Einheiten aus der lange umkämpften Stadt Misrata lehnen Shkal allerdings ab. Sie argumentieren, dass der Offizier zu lange an der Seite Muammar Gaddafis gestanden wäre und an der blutigen Unterdrückung des Aufstandes mitgewirkt habe. In Misrata, der drittgrößten Stadt Libyens, versammelten sich zuletzt 500 Demonstranten, um gegen Shkal zu protestieren. Seine Ernennung wäre "Verrat am Blut der Märtyrer", hieß es.

Bei den Einheiten aus Misrata handelt es sich um kampferprobte Männer, die sich monatelang gegen die Einkesselung ihrer Stadt durch Gaddafis Truppen wehrten. Sie pochen auf ein entsprechendes Gewicht innerhalb der Rebellen. Andere Fraktionen sind ähnlich selbstbewusst. Mittlerweile ist ein heftiger Streit entbrannt, wer größere Verdienste bei der Befreiung von Tripolis erworben hat.

Auch der Versuch des Rebellenrats, die Revolutionäre dem Kommando von Abdel Hakim al-Hasadi zu unterstellen, stieß auf Widerstand, schreibt die "New York Times". Der "einfache Kämpfer" Al-Hasadi sollte alle Fraktionen unter einen Hut bringen - doch er gilt als Islamist. Die säkularen Kräfte lehnen ihn ab. Sie befürchten, dass die Islamisten langfristig ganz Libyen unter ihre Kontrolle bekommen wollen.

Libyen-Konferenz

UNO-Blauhelme zur Überwachung des Friedens lehnt der Übergangsrat strikt ab. Er will die Lage allein bewältigen. Heute, Donnerstag, findet in Paris unter Vorsitz von Präsident Nicolas Sarkozy eine internationale Libyen-Konferenz statt, bei der es auch um die finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau des Landes geht. Der Übergangsrat rechnet mit 3,4 Milliarden Euro Bedarf für die Nothilfe. Das Geld ist eigentlich vorhanden - in Form des weltweit eingefrorenen Gaddafi-Vermögens. Eine erste Tranche wurde bereits aus Großbritannien eingeflogen. Auch die Sanktionen sollen zum Teil aufgehoben werden.