Zum Hauptinhalt springen

Rebellion in Neustift

Von Alexandra Laubner

Politik
Die historischen Ortskerne von Neustift und Salmannsdorf sollen erhalten bleiben. Doch eine Bausperre mit Ankündigung könnte manchen Eigentümer zu einem schnellen Abriss verleiten, meinen Kritiker.

Die Stadt will mit einem neuen Bebauungsplan den historischen Heurigenort schützen, doch zufrieden ist damit kaum jemand.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Es ist wie ein Mantra, das Erich Bramhas vor sich hersagt. Egal, ob Bramhas mit dem Döblinger ÖVP-Bezirksvorsteher Adi Tiller oder mit dem FPÖ-Klubobmann und Heurigenbetreiber Michael Eischer diskutiert. "Ich bin Grünwähler und politisch meist nicht derselben Meinung. Aber in diesem Punkt haben die beiden völlig recht", sagt Bramhas.

Bramhas ist Architekt und wohnt seit 51 Jahren in der Dreimarksteingasse in Neustift. Mit "diesem Punkt" meint der Architekt die Kritik an dem neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für die Döblinger Bezirksteile Neustift am Walde und Salmannsdorf. Bramhas hat eine siebenseitige Stellungnahme dagegen verfasst. "Es wurden weder für den Bereich Neustift und Salmannsdorf als Ganzes noch für die Dreimarksteingasse im Besonderen ein Leitbild für die Zukunft oder neue Ziele festgelegt. Es wurden aber die Gebäudehöhen zum Teil dramatisch eingekürzt und langjähriger Bestand beziehungsweise von der Baupolizei jüngst bewilligte Bauten und Bauteile negiert oder weggeschnitten", sagt Bramhas und führt weiter aus: "Das bedeutet gegenüber dem bisher gültigen Bebauungsplan, eine Wertvernichtung in Millionenhöhe und einen Wust neuer bürokratischer Prozeduren, ohne, dass die denkmalpflegerischen Vorteile erreicht werden." Laut Bramhas geht die Verordnung in eine falsche Richtung. "Die charakteristischen Merkmale der wertvollsten Bauten sind weiterhin zu wenig geschützt", sagt Bramhas, der den neuen Vorschlag der Wiener Stadtplanung zur Gänze ablehnt.

Der Entwurf des neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes ist eine Reaktion der Stadt, nachdem historische Gebäude abgerissen und durch Neubauten ersetzt wurden. Im August 2013 verhängte die Wiener Stadtplanung eine Bausperre über die historischen Ortskerne von Neustift und Salmannsdorf. "Es bildet sich auch eine Bürgerinitiative und die Stadt wurde aufgefordert, rechtliche Rahmenbedingung zu schaffen", erklärt Eckart Herrmann von der Abteilung "Stadtteilplanung und Flächennutzung" (MA21). Der Entwurf wurde den Anrainern und Grundeigentümern im Oktober präsentiert.

Die wichtigsten Änderungen laut MA 21: die Ausdehnung der Schutzzone. Innerhalb der Schutzzone soll das historische Ensemble durch strengere Bestimmungen vor Bauspekulation geschützt werden. Außerdem sollen die Betriebsstandorte der charakteristischen Heurigenbetriebe durch ein Verbot überwiegender Wohnnutzung langfristig gesichert werden.

Heurige fürchten Wertverlust durch Spekulationsschutz

Ein Punkt gegen den Heurigenbetreiber, wie die Chefin des Heurigen "Friseur Müller" Sturm laufen. Der Kritik der Grundeigentümer, die von einer Enteignung und Wertvernichtung in Millionenhöhe sprechen, begegnet Hermann ausweichend. "Es soll sowohl die Errichtung von großen, ortsfremden Bauvolumina hinten angehalten werden als auch bewusst der Spekulationsanreiz und größeres Bauvolumen im Neubaufall vermieden werden. Der Bestand sowie die auf der Charakteristik des Gebietes basierenden besonderen Immobilienwerte sollen hingegen durch die speziellen Bebauungsbestimmungen rechtlich gesichert werden", sagt Hermann.

Bis zur Rechwirksamkeit der neuen Verordnungen stehen sieben weitere Schritte aus - unter anderem der Beschluss der Döblinger Bezirksvertretung, die juristische Überprüfung sowie die Absegnung im Gemeinderat. Die öffentliche Auflage, bei der Bürger und Interessensvertretungen ihre Stellungnahmen schriftlich einbringen konnten, endete am 10. November. Der Bezirk hat bis 15. Dezember Zeit.

"Bei manchen Eigentümern ist es eine kalte Enteignung. So kann es in Wien in einem Rechtsstaat nicht zugehen und die Bezirksvertretung wird sich das sicherlich nicht so gefallen lassen. Wir sind daran interessiert, dass unser Neustift und die alten Gebäude erhalten bleiben, da Neustift ein Aushängeschild ist. Aber wir sind nicht dafür, dass man die Grundeigentümer enteignet", kommentiert der Döblinger ÖVP-Bezirkschef Adi Tiller. Fest steht, kommt der neue Flächenwidmungs- und Bebauungsplan so wie er derzeit geplant ist, dann frühestens in zwei Jahren.

Und daran liegt auch der Haken - meint wiederum der Verein "Initiative Denkmalschutz", der sich mit einer Petition für den Erhalt des historischen Heurigenortes einsetzt. "Da nicht über das ganze Planungsgebiet eine Bausperre verhängt wurde, befürchten wir, dass in den nächsten zwei Jahren Gebäude, die gefährdet und für eine Schutzzonen-Erweiterung vorgesehen sind, abgerissen werden könnten", sagt Markus Landerer. "Wenn man einen Ortskern erweitern möchte und dann keine Schutzzone für die Erweiterung verhängt und das noch offiziell groß ankündigt, dann sind alle aufgescheucht und jeder weiß: ,Jetzt habe ich noch ein wenig Zeit, das Haus abzureißen‘", so Landerer, der eine Nachschärfung fordert.