Puigdemonts Auslieferung von Deutschland nach Spanien ist zulässig - und ein realistisches Szenario.
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Kiel/Neumünster. Die nächste Hürde in der katalanischen Tragödie ist genommen. Der abgesetzte Regionalpräsident Carles Puigdemont, derzeit inhaftiert in der Justizvollzugsanstalt Neumünster, darf an Spanien ausgeliefert werden. Das befand nun der Generalstaatsanwalt von Schleswig-Holstein, dem Bundesland, in dem der flüchtige Politiker festgenommen worden war. Das geschah auf Basis des Europäischen Haftbefehls, der von Spanien ausgeschrieben worden ist.
Der Ball liegt nun bei dem Oberlandesgericht in Schleswig. Laut der spanischen Nachrichtenagentur Efe signalisierte ein Sprecher des Gerichts, dass eine Entscheidung schon in den nächsten drei Tagen möglich sei.
Die Einschätzung des Generalstaatsanwaltes ist immens wichtig für den Weitergang des Verfahrens. Denn lange war nicht klar, ob rein juristisch die Auslieferung an Spanien möglich wäre. Denn Puigdemont wird nicht nur der Veruntreuung öffentlicher Gelder beschuldigt. Der Europäische Haftbefehl - und damit der Oberste Gerichtshof Spaniens - wirft Puigdemont auch den Tatbestand der Rebellion vor.
Gegenseitigkeit sei gegeben
Veruntreuung und Rebellion gehören aber beide nicht zu den abschließend aufgezählten schweren Delikten, die den ureigensten Themenkreis des Europäischen Haftbefehls ausmachen (dazu würden etwa Terrorismus und Vergewaltigung gehören). Die würden automatisch die Auslieferung erzwingen. Doch die Juristen in Deutschland müssen prüfen, ob bei Veruntreuung und Rebellion das Prinzip der Gegenseitigkeit gegeben ist. Denn nur dann, bei dieser Gegenseitigkeit, wäre eine Auslieferung obligatorisch. Sonst könnte die Auslieferung unterbleiben.
Das Delikt der Veruntreuung ist zwar in beiden Staaten gegeben, wiegt aber mit maximal fünf Jahren Strafandrohung in Deutschland nicht schwer genug, um die Inhaftierung und Auslieferung in diesem brisanten Fall zu rechtfertigen.
Ganz anders hält es sich mit der "Rebellion", die Puigdemont in Spanien vorgeworfen wird und mit mindestens fünfzehn bis zu 30 Jahren Freiheitsberaubung bedroht ist. Für einige Beobachter war "Rebellion" ein verstaubtes Konstrukt, das der Staatsform der parlamentarischen Erbmonarchie geschuldet ist. Personen, die unter der Anwendung von Gewalt versuchen, die Verfassung zu ändern, den König abzusetzen oder das Parlament auflösen, wird in Spanien Rebellion vorgeworfen.
Dreh- und Angelpunkt der Anschuldigung ist, ob Puigdemont bei der Durchführung des verbotenen Referendums zur Abspaltung von Spanien Gewalt in Kauf genommen hat.
Nur dann kann man ihm Rebellion anlasten. Und nur dann wäre der Tatbestand des Hochverrats in Deutschland erfüllt: Denn Paragraf 81 im Deutschen Strafrecht normiert: Hochverrat begeht, wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik zu beeinträchtigen. Paragraf 242 im österreichischen Strafrecht liest sich übrigens sehr ähnlich.
"Eine wortgleiche Übereinstimmung der deutschen und spanischen Vorschriften ist insoweit gesetzlich nicht gefordert", heißt es dazu von der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holsteins. Das Auslieferungsersuchen ist "zulässig", damit ist "mit einer Durchführung des ordnungsgemäßen Auslieferungsverfahrens zu rechnen". Auch der Haftgrund der Fluchtgefahr liege vor.
Berlin will nicht intervenieren
Die Entscheidung über den Erlass eines Auslieferungshaftbefehls sowie eventuell noch einmal über die Zulässigkeit der Auslieferung trifft nun das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht. Zuständig hierfür ist der I. Strafsenat, der mit drei Berufsrichtern besetzt ist. Im Rahmen dieses Verfahrens prüft der Senat, ob die Auslieferung nicht "von vornherein unzulässig erscheint", wie es offiziell heißt und ob ein Haftgrund vorliegt.
Das Gericht hält sich bedeckt, ob es nur inhaltlich den Vorwurf Rebellion/Hochverrat prüfen wird oder ob es die Prüfung weiter fassen wird. In diesem Fall würde auch politisches Abwägen mit einfließen. Kann Puigdemont in Spanien ein faires Verfahren erwarten? Darf ein EU-Land einem anderen EU-Land einen Flüchtigen verwehren? Würde es die deutsche Bundesregierung riskieren, dass sie sich mit den Institutionen in Schleswig-Holstein "ins Benehmen" setzt, wie die Nachrichtenagentur AFP schreibt.
Offiziell will die deutsche Regierung in der Frage der Auslieferung Puigdemonts nicht intervenieren. In Berlin verwies ein Sprecher des Justizministeriums am Dienstag auf Äußerungen der Ministerin Katarina Barley, die erklärt hatte, das Auslieferungsverfahren liege in den Händen der Justiz.