Endgültiges Aus für den klassischen Parketthandel in Frankfurt. +++ Wien hat bereits 1999 ganz auf den Computerhandel umgestellt. | Frankfurt/Wien. Es ist leiser geworden an den Börsen, wenn auch nicht ruhiger. Während sich nämlich die Volatilität an den Märkten, also die Aufwärts- und Abwärtsbewegungen, in den vergangenen Jahrzehnten erhöht hat, ist der Lautstärkepegel in den Handelshäusern deutlich zurückgegangen. Denn über die letzten Jahrzehnte haben immer mehr Börsen ganz oder teilweise auf elektronischen Handel umgestellt.
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Noch heuer springen auch die Deutschen auf den Trend auf. Am 20. Mai 2011 wird an der Frankfurter Börse zum letzten Mal ein Parketthandel im alten Stil durchgeführt. Ab 23. Mai - das ist ein Montag - werde auf das neue System umgestellt, bestätigt ein Sprecher.
Vollautomatischer Handel birgt Risiken
Dass der Computerhandel nicht nur Vorteile, sondern auch beachtliche Risiken birgt, bekam zuletzt die New York Stock Exchange (NYSE) zu spüren. Im Mai 2010 riss ein sogenannter "Flash Crash" (blitzartiger Einbruch der Notierungen) die Kurse tief nach unten. Seitdem ist das Thema weltweit in aller Munde, Politiker und Aufsichtsbehörden suchen nach klaren Lösungen. Sowohl die Behörden in den USA als auch jene der EU überlegen jetzt, gewisse Regeln für das sogenannte "high-speed"-Trading, also den rein computergesteuerten Handel aufzustellen. Diese wären dann zusätzlich zu den bisher bereits vorhandenen Börsegesetzen einzuhalten.
In der EU wird zum Beispiel die Begrenzung der Anzahl der "Trades", also Kauf- und Verkaufsaktionen, die ein Händler in einem bestimmten Zeitraum machen darf, angedacht. Auch die Verpflichtung, die mathematischen Algorithmen zu veröffentlichen, nach denen gehandelt wird, ist Teil der Debatte. Darin sehen Händler jedoch einen Verstoß gegen die Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums. Für sie bliebe dann nur noch ein Abtauchen in sogenannte "Dark Pools" (siehe Kasten).
Neue Regeln müssen wahrscheinlich bald auch für das immer beliebter werdende Geschäft des "Co-Locating" gefunden werden. Dabei werden neben großen Börseplätzen bombensichere Gebäude eingerichtet, in denen Firmen ihre Server platzieren können, um näher am Börsegeschehen zu sein. Schließlich braucht auch der schnellste Computer noch immer eine Kabelverbindung.
Milliarden haben sich virtuell in Luft aufgelöst
Am 6. Mai wurde an der NYSE binnen Minuten ein Börsewert von gut 800 Milliarden Dollar (608 Milliarden Euro) vernichtet. Dass es nicht noch schlimmer kam, ist dem dortigen Mischsystem aus Parketthandel und elektronischem System zu verdanken. An der NYSE geht man bei außergewöhnlicher Kursschwankungen nämlich zum altbewährten System des Auktionshandels zurück. Händler werden dann aufgerufen, ihre Angebote für den An- oder Verkauf einer bestimmten Aktie zu nennen, um so den - wie es Börsenvertreter nennen - "korrekten Preis" eines Handelswertes zu bestimmen. Gemeint ist mit "Korrektheit" in diesem Fall natürlich nur die Preisbildung anhand von Angebot und Nachfrage und nicht etwa der tatsächliche ("fundamentale") Wert eines Unternehmens.
Aber auch Börsen mit reinem elektronischen Handel, wie etwa jene in Wien, lassen die Maschinen durch Menschen überwachen. Seit 1999 hat man vollständig auf das von der Deutschen Börse entwickelte Xetra-System, kurz für "Exchange Electronic Trading", umgestellt. Seither geht alles voll elektronisch - zumindest beinahe. "Es wäre gar nicht anders gegangen, weil die Wiener Börse sehr international ist", erklärt Sprecherin Beatrix Exinger gegenüber der "Wiener Zeitung". Beinahe 70 Prozent der monatlichen Umsätze werden von internationalen Handelsteilnehmern getätigt, das meiste von London und Frankfurt aus.
Mit der Modernisierung der Börse in Wien war auch das alte Börsegebäude am Ring nicht mehr notwendig und so sitzt das Team jetzt im Palais Caprara-Geymüller in der Wallnerstraße im ersten Wiener Gemeindebezirk. Jede einzelne Handelsbewegung - pro Tag werden an der Börse rund 300 bis 400 Millionen Euro umgesetzt - wird von einem Team von etwa 10 Mitarbeitern überprüft. Wenn beispielsweise ein Händler einer Bank statt des Preises die Kennnummer des Wertpapiers eingibt oder sonstige ungewöhnliche Zahlen aufscheinen, schlägt das System Alarm. "Einer der Kollegen ruft dann beim Händler an und fragt nach. Bei Unregelmäßigkeiten werden diese an die Finanzmarktaufsicht zur Untersuchung weitergeleitet", sagt Exinger über die Vorgangsweise. Auch dass es in Wien zu einem derart gravierenden "Flash Crash" wie an der NYSE kommt, kann sich Exinger nur schwer vorstellen: "Völlig ausschließen kann man es nicht, aber wir haben einen Schutzmechanismus, die sogenannte Volatilitätsunterbrechung oder Vola Break, die automatisch den Handel aussetzt, wenn es zu besonders großen Preisschwankungen kommt."
Automatisierungsgrad wird noch zunehmen
"Algo-Trading ist an der Wiener Börse kein Thema", weiß die Sprecherin der Wiener Börse aus Gesprächen mit Handelsteilnehmern. Unter diesem Fachbegriff versteht man auf Algorithmen basierenden, rein computergesteuerter Handel. Ein Algorithmus ist eine aus Teilschritten bestehende eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines - in Zahlen fassbaren - Problems.
Weltweit nimmt der automatisierte Handel jedoch zu und genau solche Algorithmen können, weil sie die Marktentwicklung gleichschalten, leicht zu Blasenbildungen führen. Das heißt, dass der Marktwert eines Handelspapiers durch zu große Nachfrage oder zu großen Verkauf nicht mehr den tatsächlichen Bewertungen entspricht. So geschehen mit vielen Banken im Zuge der Finanzkrise oder auch im Immobiliensektor.
Wissen
Börsen, außerbörslicher Handel und "dunkle" Plattformen
Transaktionen in "Dark Pools" sichern Hedge-Fonds und Banken Anonymität.
Ursprünglich wurde mit dem Begriff "Börsen" Gebäude bezeichnet, in denen sich Händler oder Vermittler trafen, um Verkaufsgeschäfte abzuwickeln. Gehandelt wurden dabei sowohl Waren als auch Termingeschäfte auf selbige oder Wertpapiere. Am Inhalt des Börsenhandels hat sich seit dem 16. Jahrhundert, als die ersten Börsen im Gebiet der heutigen Niederlande und in London eröffnet wurden, nur wenig geändert.
Aber die Methode, wie gehandelt wird, hat sich durch die "Elektronische Revolution" grundlegend gewandelt. Längst ist es nicht mehr unbedingt notwendig, dass sich sogenannte "Broker" oder andere Vertreter von Handelsteilnehmern zu bestimmten Zeiten an den Börseplätzen dieser Welt einfinden, um durch Zurufe und die Platzierung von Aufträgen ("Orders") den Preis eines Wertpapiers oder einer Handelsware mitzubestimmen und in weiterer Folge zu versuchen, für ihre Klienten den bestmöglichen Preis zu erzielen. Das kann alles per Computer gemacht werden - wenn man das so will. 1971 wurde mit der Nasdaq Handelsplattform in den USA die erste vollelektronische Börse der Welt gegründet.
Schon vor der Entstehung der ersten Börsen und natürlich auch weiterhin besteht die Möglichkeit, dass zwei Händler sich direkt über den Preis für ein Wertpapier einigen und "Over the Counter" (OTC), also "über den Ladentisch", verkaufen beziehungsweise kaufen, wie die Investmentwelt diese Art von Handel nennt.
Mittlerweile hat sich der außerbörsliche Handel zu einer wichtigen zusätzlichen Institution entwickelt, denn aufgrund der raschen Marktbewegungen und computergesteuerten Reaktionsmöglichkeiten ist es für Händler manchmal schwierig, große Blöcke von Aktien zu ordern oder abzustoßen, ohne damit den Preis zu beeinflussen.
Außerbörslicher Handel kann aber auch kollektiv erfolgen. Vor allem Länder, die keine Börse haben, greifen schon seit längerer Zeit auf die Möglichkeit von multilateralen Handelsplattformen - im Fachjargon "Multilateral Trading Facilities" genannt - zurück. Bei solchen Plattformen gibt es die unterschiedlichsten Ausprägungen, die in ihrer Transparenz divergieren - bis hin zu den "Dark Pools".
Die letztere Spielart alternativer Handelsplattformen gibt Anbietern und Käufern großer Wertpapierpakete wie etwa institutionellen Investoren, Hedge-Fonds und Investmentbanken die Chance, anonym bleiben. Auch werden die Orderdetails nicht offengelegt. Handel in solchen wenig regulierten Märkten ist keineswegs ungesetzlich, aber Investoren müssen sich der Risiken bewusst sein und können bei Preisunregelmäßigkeiten nicht auf ein Eingreifen der Börseaufsicht hoffen.