Zum Hauptinhalt springen

Rechnung ohne Wirte

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Österreichs Banken wollen ihre Staatsanleihen nicht verkaufen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Das "letzte Pulver" im Kampf gegen die Krise nannte Nationalbank-Chef Ewald Nowotny die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), 1,14 Billionen Euro in die Hand zu nehmen und Staatsanleihen aufzukaufen. Durch den Einkauf soll frisches Geld über die Banken in Form von Krediten zu den Unternehmen und privaten Haushalten kommen. Das soll wiederum die Investitionen, den Konsum und damit die schwache Konjunktur ankurbeln. Das hofft zumindest die EZB.

Aber EZB-Chef Mario Draghi könnte seine 1,14 Billionen schwere Rechnung ohne die Banken gemacht haben. Zumindest ohne die österreichischen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es aus der Branche: "Nur weil die EZB jetzt Anleihen kaufen will, müssen wir nicht unsere Staatsanleihen verkaufen."

Anleihen gegen die Krise

Vergangenen Donnerstag hat Draghi das milliardenschwere Programm "Quantitative Easing" (QE) vorgestellt. Die Notenbank druckt frisches Geld, um Wertpapiere zu kaufen. Vorgesehen sind ab März 60 Milliarden Euro monatlich. Das Programm soll vorerst bis September 2016 laufen.

Die Geldschwemme soll den stockenden Euro-Raum beleben. Mit dem frei gewordenen Geld sollen die Banken mehr Kredite vergeben, die wiederum in den Konsum und in Unternehmensinvestitionen wandern. Das soll die Inflation auf die von der EU festgelegte Zwei-Prozentmarke heben - derzeit liegt sie bei 0,5 Prozent. Die mit dem QE einhergehende Euro-Abwertung soll europäische Produkte auf dem internationalen Markt billiger machen. Ähnliche Maßnahmen haben schon die britische und die japanische sowie die US-Notenbank umgesetzt.

Der EZB-Vorstoß stieß gleich bei der Verkündung auf scharfe Kritik. Diese Maßnahme würde vor allem schwachen Euroländern wie Italien, Spanien und Frankreich zugute kommen, die mit einem Wachstumsrückgang und Kreditklemmen kämpfen. Für Länder wie Deutschland oder Österreich, die im Vergleich stabil dastehen, sei die Maßnahme ungeeignet. Außerdem würde die Geldschwemme den Druck von den EU-Staaten nehmen, dringend notwendige Reformen und Einsparungen vorzunehmen, weil ja deren Staatsanleihen großzügig aufgekauft werden. Zudem würde dieses System riskante, spekulative Kreditgeschäfte begünstigen. Der Mechanismus sei eher für Investmentbanken als für traditionelle Banken geeignet. Und: Der Ölpreisverfall und der schwache Eurokurs kurbeln ohnehin die Wirtschaft an. Dank niedriger Energiekosten haben die Haushalte mehr Geld zum Ausgeben und die Unternehmen produzieren billiger.

"Ein QE in Europa ist mit ganz anderen Nebenwirkungen verbunden als in den USA", sagt Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek zur "Wiener Zeitung". Die USA hätten einen viel größeren Kapitalmarkt. Und da habe eine Geldschwemme Sinn, weil 70 Prozent der Investitionen über den Kapitalmarkt - etwa den Aktienhandel - finanziert würden und nur 30 Prozent über Bankenkredite. In der EU sei das umgekehrt. "Wir haben einen viel bescheideneren Aktienhandel", so Brezinschek. Er ist skeptisch, ob heimische Banken Anleihen im großen Stil verkaufen werden, weil viele Institute diese zur Besicherung benötigen. Außerdem werfen Wertpapiere einen Zinsertrag ab.

Keine Kreditklemme

"Wir kaufen und verkaufen unsere Bonds rein nach den regulatorischen Erfordernissen", sagt ein Sprecher der Bank Austria auf Anfrage. "Ob wir Anleihen verkaufen, hängt rein von der Zinserwartung ab", heißt es auch seitens Raiffeisen.

In der Branche heißt es aber, dass die heimischen Großbanken wohl kaum das Angebot der EZB annehmen werden. "Warum soll ich ertragreiche Anleihen verkaufen, wenn ich dann für das Geld auch noch einen Strafzins zahlen muss?", fragt Brezinschek. Die EZB hat ja im Vorjahr den Leitzins auf 0,05 Prozent gesenkt und seitdem nicht angehoben. Der Strafzins für Geld, das bei der Notenbank geparkt wird, wurde auf 0,2 Prozent angehoben.

Außerdem herrscht in Österreich keine Kreditklemme wie etwa in Italien. Auch Erste-Bank-Chefanalyst Friedrich Mostböck glaubt, dass die Maßnahme in den südlichen Euro-Ländern fruchten kann, ist aber für Österreich skeptisch. Die heimischen Banken gelten als ausreichend liquide und "wir würden gerne Kredite vergeben, wenn die Nachfrage da wäre", sagt eine Sprecherin der Erste Bank.

Die fehlenden Investitionen sind laut Christian Helmenstein, Ökonom bei der Industriellenvereinigung, nicht auf fehlende Kredite, sondern auf fehlende Rahmenbedingungen zurückzuführen. Vereinfacht gesagt: Jene Unternehmen, denen die Banken gerne Geld geben würden, haben selbst welches und halten sich mit Investitionen zurück. Jene, die Kredite brauchen, bestehen die Bonitätsprüfung nicht und bekommen keine. Das trifft vor allem kleine Start-ups ohne eigenes Kapital.

Um die Investitionen in Schwung zu bringen, brauche es in Österreich entsprechende Rahmenbedingungen wie niedrigere Abgabenquoten, so Helmenstein. Außerdem kämpfen Unternehmen mit stagnierenden Erträgen im Zuge der Ukraine Krise und der schwachen Konjunktur.