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Regierung plant, beim Eizellspende-Urteil in Revision zu gehen. | Bioethik-Kommission: Fortpflanzungsrecht ist voller Widersprüche. | Wien. In Österreich bringt eine Frau durchschnittlich nur 1,3 Kinder zur Welt. Die Berufs- und Lebenspläne verschieben sich immer weiter nach hinten, das Alter von Erstgebärenden steigt stetig. Zudem lassen Umwelteinflüsse die Infertilität steigen. Vielen Betroffenen könnte die Medizin helfen. Und sie würden wohl alles unternehmen, was medizinisch möglich ist, um Kinder bekommen zu können.
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Sollen sie das dürfen? Die Richter europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, die im April Österreich wegen seines strikten Fortpflanzungsrechts verurteilt haben, sehen keine sachlichen Gründe, warum nicht. Demnach ist das im österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz verankerte, kategorische Verbot der Eizellspende aufzuheben. Nach Auffassung des EGMR wird durch dieses Verbot gerade jene Gruppe von Frauen diskriminiert, die aus medizinischen Gründen keine Kinder bekommen können und auf die High-Tech-Behandlung der Eizellspende angewiesen sind.
Straßburg ist der Auffassung, dass moralische Bedenken gegen die Methoden der künstlichen Befruchtung nicht ausreichen, um Verfahren wie die Eispende ausnahmslos zu verbieten. Solchen Gründen komme besonderes Gewicht zu, wenn es um die prinzipielle Entscheidung für oder gegen die Legalisierung von künstliche Befruchtung geht. "Wenn allerdings einmal die Entscheidung getroffen ist, sie zu erlauben, muss der rechtliche Rahmen in kohärenter Weise gestaltet werden, sodass es möglich ist, die verschiedenen legitimen Interessen, die betroffen sind, angemessen zu berücksichtigen", erklärt Christian Kopetzki, Vorstand des Instituts für Ethik in der Medizin der Universität Wien.
Geister, die der Fortschritt rief
Der österreichische Gesetzgeber sieht es anders. Für Justizministerin Claudia Bandion-Ortner widerspricht die EGMR-Entscheidung dem Wohl des Kindes, das das Recht habe, zu wissen, wer seine genetischen Eltern sind. Österreich wird daher aller Voraussicht nach bis zum Ablauf der Frist am Donnerstag gegen das nicht rechtskräftige Straßburger Urteil in Revision gehen, heißt es sowohl aus dem Ministerium als auch aus der Bioethik-Kommission. Bestätigt die Große Kammer des EGMR ihren eigenen Spruch, ist die Bundesregierung gezwungen, das Gesetz zu ändern. "Die Wahrscheinlichkeit, dass Österreich wieder verliert, liegt bei 50 Prozent", sagt Kopetzki.
Hintergrund sind Unsicherheiten im Umgang mit den Geistern, die der medizinische Fortschritt rief. Laut Bundesregierung sind medizinisch hochentwickelte Techniken der In Vitro Fertilisation (IVF, künstliche Befruchtung im Reagenzglas) mit dem Risiko behaftet, nicht nur zu therapeutischen Zwecken angewendet zu werden. Trennt man Befruchtung und Sex, würde eine "Zuchtauswahl" von Kindern möglich, heißt es im Gesetz. Zusätzlich bestünde die Gefahr, dass die Eispende zur Ausbeutung und Erniedrigung von Frauen, insbesondere von ökonomisch benachteiligten, führen könnte. Soll jedoch aufgrund von dieser Eventualität die Handlungsfähigkeit aller Betroffenen eingeschränkt werden?
Zwar wären in Österreich jährlich nur ein paar hundert Frauen aus medizinischen Gründen auf die Spende von Eizellen anderer Frauen angewiesen, um selbst Kinder bekommen zu können. Etwa jene, die frühzeitig in den Wechsel kommen, an einer Eileiter-bedingten Sterilität leiden oder durch eine Chemoptherapie ihre Fruchtbarkeit verlieren. "Aber wenn das Recht eines Paares, ein Kind zu bekommen, und sich zur Erfüllung des Kinderwunsches die Fortpflanzungsmedizin zunutze zu machen, in den Schutzbereich des Anspruchs auf Achtung des Privatlebens fällt, sollten sie diesen Schritt setzen können", betont Kopetzki.
Befürworter der Eizellspende führen an, dass ein Verbot die Frau nicht schützt, sondern sie einschränkt. Der Wiener IVF-Pionier Wilfried Feichtinger behandelte eines der beiden Paare, das vor 19 Jahren Klage beim EGMR einreichten. Er beschreibt eine Ungerechtigkeit aus medizinischer Sicht: "Selbst wenn der Mann der unfruchtbare Teil der Verbindung ist, erfolgt die Behandlung im Körper der Frau. Die Frau sollte daher maximal entscheidungsberechtigt sein. Weil sie maximal betroffen ist. Es ist lächerlich, dass man nicht den Patientenwunsch respektiert und stattdessen in Revision geht. Bei solch restriktiven Gesetzen sind immer die Patienten die Leidtragenden. Das Einzige, was man damit erreicht, ist ein Fortpflanzungstourismus, anstatt schleunigst die Gelegenheit zu ergreifen, das Gesetz zu ändern."
Keine Lifestyle-Babys
Medizinisch ist die Eizellspende ein beträchtlicher Eingriff. Sodass davon auszugehen ist, dass jede Frau, sie sich ihm unterzieht, es sich gut überlegt hat. "Eizellspenden sind die Ultima Ratio. Niemand würde das ausschließlich aus Lifestyle-Gründen machen, etwa aus dem Wunsch nach einer japanisch aussehende Tochter", sagt Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethik-Kommission beim Bundeskanzleramt. Wer entscheidet, dieses Prozedere auf sich zu nehmen, tut das nicht zum Spaß, sondern wünscht sich vermutlich nichts sehnlicher als ein Kind - ein ursprünglicher Wunsch, der einem biologischen Instinkt folgt. Und er treibt Betroffene, die es sich leisten können, nach Tschechien oder Dänemark, wo die Eizellspende erlaubt ist.
Das österreichische Gesetz - eines der restriktivsten - folgt einer anderen Logik. Dort steht das werdende Leben an erster Stelle. Doch tut es das? Vielerorts scheinen die Widersprüche die gute Absicht zu übertönen. "Derzeit dürfen in der künstlichen Befruchtung nur Eizellen von der Frau verwendet werden, von der sie stammen", sagt Kopetzki. Aber es dürfen Samen gespendet werden, wenn der Mann unfruchtbar ist. Womit Kleinkinder zwar wissen dürfen müssen, wer ihre Mutter ist, aber nicht wissen müssen dürfen, wer ihr Vater ist. Letzteres ist sogar bei Schwangerschaften, die auf natürlichem weg zu Stande kommen, gang und gäbe: Zehn Prozent der Babys, die in Österreich zur Welt kommen, stammen nicht von dem Vater, von dem sie glauben zu stammen.
Richtet sich der Gesetzgeber nach dem EGMR-Spruch, dass ein kohärentes Regelwerk geschaffen gehört, zieht das weitere Fragen nach sich. Etwa dürfen in Österreich ausschließlich Paare, die in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft leben, künstliche Befruchtung in Anspruch nehmen. "Doch es gibt keinen Grund, warum nicht alle Paare, die sich Kinder wünschen, Kinder haben dürfen. Eine Garantie für lebenslanges Zusammenbleiben gibt es nie", hebt Markus Hengstschläger, Leiter der Abteilung für Medizinische Genetik der Medizinuniversität Wien und stellvertretender Vorsitzender der Bioethik-Kommission, hervor.
Verlagerte Lebensplanung
Derzeit feilt die Bioethik-Kommission an Empfehlungen für Reformen, die sie dem Gesetzgeber vorlegen will, wenn die Große Kammer des EWGR ihr Urteil bestätigt. Vorsitzende Druml hält auch eine Anhebung des Alters der Frauen von 40 auf 45, bis zu dem IVF von der Krankenkasse bezahlt werden soll, für relevant: "Die Leben von Frauen haben sich gesellschaftlich geändert und wir müssen das akzeptieren." Auch alleinstehende Frauen sollen Samenspenden und IVF in Anspruch nehmen können: "Frauen müssen als maximal Betroffene auch maximal entscheidungsberechtigt sein."
Uneinig ist die Kommission über die Adoption von befruchteten Eizellen aus der künstlichen Befruchtung, die für eine gewisse Zeit aufbewahrt und danach weggeschmissen werden müssen. "Um den Schutz des ungeborenen Lebens kann es derzeit wohl nicht gehen", sagt Hengstschläger. Er plädiert für die "Verschiebung der Adoption nach vorne, um die Schwangerschaft auch noch mit einzubeziehen", räumt aber ein: "Natürlich betrifft es auch die Leihmutterschaft, und die ist derzeit verboten."
Wissen: Künstliche Befruchtung
Die künstlichen Befruchtung unterteilt sich in Insemination und In Vitro Fertilisation (IVF). Bei der "leichteren" Methode der Insemination werden zur Eisprung-Zeit die Samen des Mannes mit einem Katheter in die Gebärmutter der Frau eingebracht. Bei der IVF werden der Frau Eizellen mittels Punktion entnommen und in einer Petrischale mit dem Samen des Mannes befruchtet. Nach einer Zeit des Reifens wird die befruchtete Eizelle in die Gebärmutter eingebracht. Die Erfolgsquote liegt bei 30 Prozent und geht üblicherweise mit einer hormonellen Zyklus-Stimulation einher. In Österreich finanziert die Krankenkasse IVF bei Indikationen bei Frauen bis zum Alter von 40 und bei Männern bis zum Alter von 50 Jahren.
Bei Eizellen von mangelhafter Qualität bietet sich die Möglichkeit der Eizellspende - der Transfer einer (mit dem Samen des Partners) befruchteten Eizelle einer anderen Frau in die Gebärmutter der Empfängerin. Die Eizellspende ist in Österreich verboten, die Samenspende dagegen eingeschränkt erlaubt. Paare dürfen eine Insemination mit Spendersamen vornehmen - jedoch keine IVF -, Spender für Samen kein Geld verlangen.