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Rechte bangt um Pariser Rathaus

Von Christian Giacomuzzi

Politik

Paris - Der Kampf um die französische Hauptstadt, die sich seit 1977 fest in den Händen der konservativen Neogaullisten (RPR) befindet, ist zum zentralen Einsatz der Kommunalwahlen vom 11. und 18. März geworden. Paris scheint nach allen Umfragen drauf und dran, erstmals der Linken zuzufallen.


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Ein Jahr vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen würde dieser Sieg für die vom Sozialisten (PS) Lionel Jospin angeführte Linksregierung von besonderem Symbolwert sein.

Landesweit sind am kommenden Sonntag 40 Millionen Franzosen aufgerufen, in rund 36.500 Gemeinden ihre Vertreter neu zu wählen. Bei den letzten Kommunalwahlen 1995 hatte die Linke in 127 Städten mit mehr als 30.000 Einwohnern gesiegt, die Rechte in 103, darunter den drei größten - Paris, Lyon und Marseille. Auch in Lyon, wo der ehemalige Premier Raymond Barre regiert, lassen Umfragen einen möglichen Mehrheitswechsel erkennen. Die zerrissene extreme Rechte, die derzeit in vier Städten den Bürgermeister stellt, dürfte diesen zumindest in Toulon und Vitrolles verlieren.

Insgesamt treten in Paris 172 Listen im ersten Durchgang an. Im kleinen fünften Bezirk, der Hochburg des amtierenden und mittlerweile aus der RPR ausgestoßenen Bürgermeisters Jean Tiberi, kämpfen gar elf Listen um einen Platz im Gemeinderat. Geprägt wurde der Wahlkampf durch zwei Persönlichkeiten, den Kandidaten der "pluralistischen Linken" Bertrand Delanoe (PS), dem die größten Siegeschancen eingeräumt werden, und durch den früheren RPR-Chef Philippe Seguin. Seguin sieht sich vor der nahezu unmöglichen Aufgabe, das Pariser Rathaus zu erobern, indem er gleichzeitig gegen seinen ehemaligen Parteifreund Tiberi, gegen Delanoe und den Grünen Yves Contassot antritt.

Der 50-jährige Senator Delanoe sitzt seit 24 Jahren im Pariser Gemeinderat. Er genießt wegen seiner Bürgernähe viele Sympathien und steigerte seine Glaubwürdigkeit, indem er seine Homosexualität öffentlich eingestand. Der 57-jährige Seguin dagegen war bereits Minister, Präsident der Nationalversammlung, Chef der krisengeschüttelten RPR und Bürgermeister der 41.000 Einwohner zählenden Stadt Epinal in den Vogesen. Er entspricht daher nicht dem Bild des "bürgernahen" Stadtvaters, den sich die Pariser mehrheitlich wünschen. Seine hartnäckige Weigerung, mit Tiberi einen Kompromiss einzugehen, genügte offenbar nicht, Seguin vom korruptionsverdächtigen Image der Pariser RPR-Verwaltung zu befreien. Tiberi (66), seit 30 Jahren ein treuer Anhänger seines Vorgängers Präsident Jacques Chirac, wurde im vergangenen Oktober aus der Partei ausgeschlossen, weil er es ablehnte, die RPR-Spitzenkandidatur Seguin zu überlassen.