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Rechte der Beschäftigten klaffen auseinander

Von Florian Schrenk

Recht

Als Paradigmenwechsel ist die (voraussichtlich) 2021 stattfindende Angleichung der Kündigungsbestimmungen der Arbeiter an jene der Angestellten zu sehen.


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In Österreich wird bei Beschäftigungsverhältnissen nach wie vor in Angestellte und Arbeiter unterschieden. Für die Angestellten wurde 1921 ein eigenes Gesetz geschaffen, um die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses wie Kündigungsfristen, Entgeltfortzahlung, Dienstverhinderung etc. zu regeln. Für Arbeiter gab es nie ein eigenes Gesetz, die Bestimmungen für Arbeiter finden sich daher im ABGB, der Gewerbeordnung 1859 und in zahlreichen anderen Gesetzen.

Die historisch bedingte Unterscheidung in Arbeiter und Angestellte ist in den meisten Berufen wohl nicht mehr zeitgemäß. Dies liegt am Wandel der Berufsbilder ehemals "klassischer Arbeiter", der in den vergangenen Jahrzehnten vor allem durch die Technisierung stattgefunden hat, aber auch an der grundsätzlichen Frage, warum nicht alle Arbeitnehmer gleiche Rechte haben sollten.

So verfolgt der Gesetzgeber seit geraumer Zeit das Ziel der Harmonisierung und Anpassung der Rechte von Angestellten und Arbeitern.

Diese Angleichung hat etwa bei den persönlichen Dienstverhinderungen oder der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bereits stattgefunden, in anderen Bereichen steht diese Angleichung noch aus und wird wohl noch zahlreiche Regierungen beschäftigen.

Als regelrechter Paradigmenwechsel ist jedoch wohl die (voraussichtlich) 2021 stattfindende Angleichung der Kündigungsbestimmungen der Arbeiter an jene der Angestellten zu sehen.

Bei Arbeitern ist derzeit gemäß § 77 GewO 1859 sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber eine Kündigungsfrist von zwei Wochen einzuhalten, ein Kündigungstermin ist nicht geregelt. Da es sich um nachgiebiges Recht handelt, kann selbst diese (kurze) Frist etwa auf kollektivvertraglicher Ebene gekürzt werden.

Bereits im Jahr 2017 beschloss der Gesetzgeber das Außerkrafttreten des genannten Paragraphen, um ihn durch eine Neuregelung in § 1159 ABGB zu ersetzen, der eben jene Kündigungsbestimmungen vorsieht, die wir von den Angestellten kennen. Das Inkrafttreten war für den 1. Jänner 2021 geplant, wurde jedoch wegen der Covid-19-Krise auf 1. Juli 2021 verschoben. Dies war jedoch wohl nicht der einzige Grund, denn der Gesetzgeber hat bei der Angleichung der Kündigungsbestimmungen eine auslegungsbedürftige Ausnahme vorgesehen: In Saisonbranchen kann auf kollektivvertraglicher Ebene Abweichendes zu den neuen und in den meisten Fällen deutlich längeren Kündigungsfristen und -terminen vereinbart werden.

Gesetzgeber ließ offen, was eine Saisonbranche ist

Der Gesetzgeber hat dabei allerdings offen gelassen, was eine Saisonbranche ist. Für die Sozialpartner bestand die Herausforderung in den Vorjahren darin, die Saisonbranchen zu bestimmen und etwaig abweichende Kündigungsbestimmungen zu regeln.

So sind beispielsweise die Branchen Baugewerbe, Gastronomie und Güterbeförderung wohl als Saisonbranchen zu sehen, Gewissheit darüber besteht jedoch mangels konkreter Kriterien oder taxativer Nennung der betreffenden Branchen in Gesetz oder sonstiger Rechtsquelle nicht.

In jenen Branchen, in denen jedoch unstrittig keine Saisonbranche vorliegt, müssen die Betriebe allerdings umdenken. Besteht etwa für einen Bäcker bis 30. Juni 2021 eine Kündigungsfrist von einem (!) Tag, gilt für denselben Bäcker ab 1. Juli 2021 eine Kündigungsfrist von mehreren Wochen oder sogar Monaten.

Die beiden zuvor genannten Gründe für die Verschiebung des Inkrafttretedatums - die Covid-19-Krise und die Unklarheit, welche Branchen nun als Saisonbranchen zu beurteilen sind - bestehen weiterhin. Eine neuerliche Verschiebung des Inkrafttretens und vielleicht sogar eine klarstellende Gesetzesänderung sind daher nicht auszuschließen.

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