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Rechte Gewalt unterschätzt

Von Georg Friesenbichler

Analysen

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Gewiss, die Meldung kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Dass der zweifache Mörder von Straßenhändlern in Florenz einen rechtsextremen Hintergrund hat, stellte sich erst heraus, als die meisten Zeitungen schon mit dem Blutbad im belgischen Lüttich groß herausgekommen waren. Zudem schien den Medienmachern ein Anschlag mitten auf einem Weihnachtsmarkt, bei dem neben fünf Toten auch 120 Verletzte zu beklagen waren, wohl spektakulärer als der Tod von zwei Schwarzafrikanern.

Dennoch erstaunt die unterschiedliche Wertung der Medien - gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem in Deutschland ein Neonazi-Netzwerk aufgeflogen ist, das zehn Menschen umgebracht hat. Auch in Italien handelt es sich nicht bloß um einen isolierten Einzeltäter. Einer rechtsextremen Gruppe in Rom wird neben der Planung von Anschlägen Anstiftung zum Rassismus vorgeworfen. Dazu braucht es allerdings nicht viel. Seit Jahrzehnten sind die oft illegal im Land befindlichen Straßenhändler Zielscheibe rechter Politik, und in Florenz ging schon 1990 ein jugendlicher Mob mit Messern und Baseballschlägern auf Afrikaner-Jagd.

Die Mischung zwischen empfundener Belästigung und dumpfen Ressentiments ermutigt Gewalttäter, in Italien wie in Deutschland. "Wir haben die Dimension ihres Hasses ebenso unterschätzt wie ihren Willen zur Tat", hat nun Deutschlands Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm in einer Rede bekannt. Allerdings warnen Experten seit Jahren vor der Gewaltbereitschaft der rechtsextremen Szene. Der Verdacht liegt daher nahe, dass die Vernachlässigung des rechten Randes auch politisch motiviert sein könnte. Davon ist bei Fromm natürlich keine Rede, er gesteht aber ein: "Man hätte es durchaus besser wissen können."

Ein solches Eingeständnis ist von Österreichs Verfassungsschützern nicht zu hören. Dabei sind sie gemeinsam mit der Justiz in der Vergangenheit gegen Webseiten eindeutig nazistischen Inhalts nur sehr zögernd vorgegangen. Nun wurde zumindest schon eine Anzeige gegen das jüngste einschlägige Internetprodukt "Stolz und frei" erstattet, das sich mit einem Braunhemd und der schwarz-weiß-roten deutschen Reichsflagge schmückt.

Aber es gibt Hinweise darauf, dass in den jährlichen Verfassungsschutzbericht keineswegs alle Taten mit fremdenfeindlichem oder rechtsextremistischem Hintergrund eingeflossen sind, weil die Behörden die entsprechenden Fälle verharmlosten oder in eine andere Richtung ermittelten. Wenn dies so wäre, könnte aus der heimische Szene wesentlich mehr Gewalt erwachsen als bisher angenommen.