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Rechte Störer

Von Michael Ortner

Politik

Identitäre sammeln Geld für "Anti-NGO"-Schiff auf rechtem Web-Portal.


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Wien. Die vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) als "offen rechtsextrem" eingestufte "Identitäre Bewegung" (IB) sammelt bereits seit einiger Zeit Geld für ein hochseetaugliches Schiff. NGOs, die im Mittelmeer Flüchtlinge vor dem Ertrinken retten, wollen sie damit bei ihrer Arbeit stören. "Unser Ziel ist die größtmögliche Behinderung der NGOs auf See" schreiben sie auf ihrer Kampagnenseite "Defend Europe". Sie inszenieren sich selbst als Grenzschützer, wollen Funksprüche der NGOs abhören, Flüchtlinge zurück nach Afrika bringen und Schlepperboote versenken.

Bereits Mitte Mai blockierten sie mit einem Schlauchboot kurzzeitig das Auslaufen eines Rettungsschiffs in der sizilianischen Hafenstadt Catania. Die Hafenbehörde griff allerdings ein.

Konten aufgelöst

Zunächst sah es schlecht für die Rechtsextremen aus, Geld für ein Schiff zu sammeln. Erst hat der Online-Bezahldienst Paypal das Konto der Identitären gesperrt, danach versuchten sie es mit einem Konto bei der Steiermärkischen Sparkasse. Doch dort wurde das Konto auf Druck der zivilgesellschaftlichen Kampagnenorganisation "aufstehn" aufgelöst. Mehr als 25.000 Unterschriften kamen gegen ihr Vorhaben zusammen. Ebenfalls gescheitert ist der Versuch, Geld über ein italienisches Konto aufzutreiben.

Doch nun dürfte die IB einen Weg gefunden haben, ihrem Ziel näher zu kommen. Auf der Website "Wesearchr" versuchen sie es, erneut Geld für ihre "Rettungsaktion" im Mittelmeer zu lukrieren. 80.000 Dollar kalkulieren die Rechtsextremen für einen zehn-bis 14-tägigen Einsatz vor der libyschen Küste. Bisher haben sie bereits etwas mehr als 36.000 Euro gesammelt. Laut Martin Sellner, Kopf der IB in Österreich, haben sie bereits ein Schiff gechartert: Die "C-Star", die knapp 40 Meter lang ist und unter mongolischer Flagge fährt. Derzeit liegt es noch im Hafen von Dschibuti. Die Crew soll aus Identitären aus mehreren Ländern bestehen. Von welchem Hafen sie auslaufen wollen, verrät Sellner nicht.

Fragwürdige Kampagnen

Wesearchr ist eine Crowdfunding-Plattform, die der "Alt-Right"-Bewegung in den USA nahe steht. Sie wurde 2015 von Chuck C. Johnson in Kalifornien gegründet, einem Blogger aus Los Angeles, der unter anderem auch für das rechtsextreme Medienportal "Breitbart" von Stephen Bannon gearbeitet hat. "Wesearchr" bezeichnet sich laut Eigenangaben als "journalistisches Unternehmen, das Informationen mit journalistischen Gehalt veröffentlicht, die von öffentlichem Interesse sind". In Wahrheit steckt eine rechte Crowdfunding-Plattform mit sehr fragwürdigen Kampagnen dahinter.

Spenden heißen auf Wesearchr "bounty", was auch mit Kopfgeld übersetzt werden kann. Auf der Seite heißt es zum Beispiel: "Name this domestic terrorist" - gemeint ist ein Antifa-Aktivist - der mit dem Schriftzug "Wanted" gesucht wird wie ein Gesetzloser in einem Western. Auch Neonazis dürfen sich der Unterstützung auf der Plattform sicher sein. Mehr als 150.000 Dollar kamen etwa für den Betreiber der US-Neonazi-Website "The Daily Storm" zusammen, um die Kosten für dessen Verteidiger in einem Prozess gegen eine Anti-Rassismus-Organisation zu finanzieren.

Von jeder "Spende" zieht die Plattform 15 Prozent Provision ab - mehr als drei Mal so viel wie auf bekannten Plattformen wie Kickstarter oder Indiegogo. Auf diesen Seiten sind Volksverhetzung oder Anstiftung zu Gewalttaten untersagt. Aus diesem Grund wurde auch eine Kampagne der Identitären verbannt.

Teures Unterfangen

Meist handelt es sich bei den Vorhaben der Identitären um reinen Aktionismus, um nach Aufmerksamkeit zu haschen. Doch was würde passieren, wenn sie mit einem Schiff auslaufen? Derzeit sind im Mittelmeer neben Schiffen der EU-Grenzschutzagentur Frontex und EU-Marineeinheiten rund ein Dutzend private Rettungsschiffe unterwegs, unter anderen zwei Schiffen der deutschen NGO "Sea Eye". "Die Absichten nehmen wir auf jeden Fall ernst", sagt Sprecher Hans-Peter Buschheuer, "denn es stellt vor allem für die Flüchtlinge eine Gefahr dar, wenn die Identitären die Rettung behindern würden." Oft entscheiden Minuten. Heuer haben die Helfer mit den beiden Schiffen bereits rund 6000 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet. Heimathafen ist Valetta auf Malta. Dort befürchtet Buschheuer jedoch keine Blockaden der Identitären. "Um in den Hafen zu kommen, bräuchten sie die Erlaubnis vom maltesischen Militär." Was in internationalen Gewässern passieren könnte, kann er hingegen nicht einschätzen.

Wie lange die Identitären mit dem Geld auskommen, scheint allerdings fraglich. "Sea Eye" benötigt pro Schiff rund 1500 Euro am Tag, der Großteil geht für Diesel drauf. Im Jahr summieren sich die Unterhaltskosten auf rund 250.000 Euro. "Billig ist das Unterfangen auf jeden Fall nicht", sagt Buschheuer.

Anzeige gegen Identitäre eingebracht

Wenn die Identitären die NGOs direkt bei der Rettung von Flüchtlingen behindern würden, wäre es strafbar. Denn nach internationalem Seerecht besteht für jeden Seefahrer die Verpflichtung, Schiffbrüchige zu retten. "Wenn jemand bewusst eine Rettung sabotiert und dadurch ein Flüchtling nicht gerettet werden kann und ums Leben kommt, ist das fahrlässige Tötung, bei Absicht sogar Mord", sagt Manfred Nowak, Menschenrechtsexperte und Professor für internationales Recht an der Universität Wien.

In internationalen Gewässern wäre der Flaggenstaat des Schiffes für eine strafrechtliche Verfolgung verantwortlich, in territorialen Gebieten die jeweilige nationale Jurisdiktion, also etwa Malta, Italien oder Libyen. In Österreich hat der "Falter"-Journalist Florian Klenk eine Anzeige gegen die Identitären wegen Paragraf 278a – dem Vorliegen einer kriminellen Vereinigung - bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht. Dort heißt es, es werde derzeit eine Anzeige gegen einen "unbekannten Täter" geprüft.

Das Vorhaben der "größtmöglichen Behinderung" von NGOs – wie es die Bewegung auf ihrer Kampagnenseite darstellt – will Sellner gegenüber der "Wiener Zeitung" nicht bestätigen. "Wir wollen auch Leute in Seenot retten", heißt es plötzlich. Im Gegensatz zu den Rettungsorganisationen wollen sie die Geretteten aber nicht nach Europa, sondern zurück nach Libyen bringen. Die Arbeit der NGOs wollen sie "dokumentieren". In den Augen der Identitären handeln die NGOs als Schlepper. Rettungsversuche wollen sie daher der libyschen Küstenwache melden.

Bewegung hat an Schwung verloren

Um ihr Vorhaben umzusetzen, setzen die Identitären nicht nur auf die Breitenwirkung der sozialen Medien, sondern auch auf die Bündelung ihrer Kräfte. Gruppen aus Deutschland, Österreich und Italien sind an der Kampagne beteiligt. Während die heimische Szene mit 30 bis 50 Mitgliedern im Kern und einem Sympathisantenkreis von 200 bis 300 Personen relativ überschaubar ist, hat sie mit der italienischen Organisation einen gefährlichen Partner. "In Italien ist die Bewegung viel größer, stärker und gewalttätiger", sagt Andreas Peham vom DÖW. Der italienische Arm nennt sich zwar "Generazione Identitaria", doch dahinter steckt laut Peham "Casa Pound", eine neofaschistische Gruppierung mit mehreren tausend Mitglieder.

Hinter der "Anti-NGO"-Kampagne sieht der Rechtsextremismusexperte ein klares Ziel. "Die größte Sorge der Identitären ist, dass das Flüchtlingsthema abflaut. Das ist ihr einziger Inhalt, der Kampf gegen Liberalismus und Multikulturalismus." Zuletzt schrieb Sellner, dass sich die Bewegung in einer "Phase der Stagnation" befindet. Die Bewegung hat anscheinend an Schwung verloren. "Deshalb müssen sie die Leute bei der Stange halten", sagt Peham.