Zum Hauptinhalt springen

Rechtliche Patzer bremsen grünen Frontmann ein

Von Daniel Bischof

Politik

Die anhaltende Kritik an der juristischen Arbeit seines Ressorts kratzt am Aufsteigerimage von Gesundheitsminister Anschober. Diese Woche setzt er zum Befreiungsschlag an.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die grüne Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Nachdem Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit seiner medial breit lancierten Ansprache und dem gestrigen ORF-"Sommergespräch" vorgeprescht ist, drängen diese Woche die Grünen ins Rampenlicht.

Nicht Vizekanzler Werner Kogler wird dafür auf die Bühne geholt. Im Mittelpunkt steht vielmehr - wieder einmal - Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Er wird heute, Dienstag, eine "Erklärung am Beginn der großen Herausforderung der kommenden Monate" halten. Wie schon Kanzler Kurz wird Anschober dabei alleine auftreten.

Der Gesundheitsminister hat sich längst zum medial auffälligsten Grünen-Politiker entwickelt. Anschober ist seit Ausbruch der Pandemie omnipräsent. Und auch wenn er sich in seinen Pressekonferenzen inhaltlich des Öfteren wiederholte: Das unprätentiöse Auftreten des Gesundheitsministers kam bisher gut an. Mitte Juli lag er im Vertrauensindex der Nachrichtenagentur APA und des Marktforschungsinstituts OGM mit Kurz gleichauf auf Platz zwei. Die beiden mussten sich nur Bundespräsident Alexander Van der Bellen geschlagen geben.

Unklare Regelungen

Zuletzt bremste sich der Erfolgslauf des grünen Frontmanns aber ein. Vor allem die seit Monaten anhaltenden juristischen Patzer seines Ressorts bieten Kritikern eine Angriffsfläche.

Probleme hatten sich bereits während des Lockdowns gezeigt. Die Debatte um die schwammigen Ausgangsbeschränkungen und den Oster-Erlass konnte Anschober aber weitgehend unbeschadet bestehen. Die Furcht vor einem schweren Epidemieverlauf in Österreich ließ juristische Dispute in den Hintergrund treten. Auch hatte Anschobers Argument, dass man bei der Gesetzgebung nun einmal schnell habe handeln müssen, seine Berechtigung.

Nach dem Lockdown wurden die juristischen Missgriffe des Gesundheitsministeriums jedoch immer kritischer hinterfragt. Landesverwaltungsgerichte hoben reihenweise Corona-Strafen auf, die Forderung nach einer Generalamnestie wurde laut. Mitte Juli erklärte dann auch der Verfassungsgerichtshof, dass wesentliche Teile der Lockdown-Verordnung gesetzeswidrig waren.

Es folgte die missglückte Einreiseverordnung, in der Verfassungsjurist Manfred Matzka 27 Fehler fand. Anschober gestand die Patzer ein und versprach Besserung - eine Geste, zu der sich nicht jeder Politiker herablassen würde. Taten folgten dieser Ankündigung bisher aber nicht.

Im Gegenteil. Die rechtliche Arbeit seines Ressorts blieb Anschobers Schwachpunkt. Neue Einreisebestimmungen sorgten für ein Stauchaos an den Kärntner Grenzen. Gesundheitsministerium und das Land Kärnten schoben einander die Schuld zu und lieferten sich einen Schlagabtausch. Die österreichischen Bezirkshauptleute kritisierten "schwer vollziehbare und praxisferne Vorgaben" aus Anschobers Ressort.

Das nächste Ungemach ließ nicht lange auf sich warten. Juristen orteten während der Begutachtung des neuen Covid-19-Maßnahmengesetzes zahlreiche Probleme. Auch der Verfassungsdienst wies in seiner Stellungnahme am Wochenende auf mehrere Baustellen im vorgeschlagenen Gesetzestext hin. Die Opposition schoss sich auf den Gesundheitsminister ein und kritisierte unter anderem einen "Gesetzes-Murks".

Anschobers heutige Rede kann einerseits als Versuch gesehen werden, der ÖVP die mediale Aufmerksamkeit nicht alleine zu überlassen. Nach den anhaltenden Schelten dient sie auch einem Befreiungsschlag: Laut einem Bericht der "Presse" wird sich Anschober in der Rede für das Verordnungschaos entschuldigen.

Dazu passt, dass Anschober am Montag die Klubobleute der Parteien empfing, um über die Kritik am Epidemie- und Covid-19-Maßnahmengesetz zu sprechen. Um weitere juristische Missstände zu vermeiden, soll zudem wieder verstärkt auf die Expertise des Verfassungsdiensts zurückgegriffen werden.

Andere Töne der ÖVP

Auffällig ist, dass sich auch die ÖVP zuletzt hinter Anschober versammelt hat. Bisher wurden die gestiegenen Beliebtheitswerte des grünen Ministers nicht nur mit Wohlwollen beäugt. ÖVP-Politiker setzten eher darauf, gegen Anschober zu sticheln, als ihn zu unterstützen. So rief Verfassungsministerin Karoline Edstadler (ÖVP) in der Debatte um die Ausgangsbeschränkungen Anschober zum raschen Handeln auf, falls Verordnungen und Erlässe aus seinem Ressort nicht gesetzes- und verfassungskonform seien.

Derartige Töne sind von der Volkspartei derzeit nicht mehr zu hören. Bundeskanzler Kurz stellte sich zuletzt hinter Anschober und das Gesundheitsministerium - etwa in der Debatte um das Stau-Chaos an den Kärntner Grenzen. Am Wochenende betonte er neuerlich, dass Anschober sein Vertrauen genieße.