Immer mehr Großkanzleien werden zu Konzernen. | Kleine suchen sich gerne Nischen. | Wien. Freshfields Bruckhaus Deringer, Dorda Brugger Jordis, Baker & McKenzie, Binder Grösswang - Namen von Großkanzleien, die heute wie Konzerne geführt werden. Sie beschäftigen bis zu hundert Rechtsanwälte, sind international tätig und vertreten große Unternehmen im In- und Ausland.
Früher bestanden solche Kanzleien aus einer Handvoll Rechtsanwälten samt ihren Konzipienten, die Gattin arbeitete als Sekretärin und die Büros mit ihrem knarrendem Parkett waren bieder eingerichtet. Dieses verstaubte Image gilt schon lange nicht mehr: Großkanzleien haben ihren eigenen Empfangsbereich, die Büros sind architektonisch designt und der Klient wartet nicht mehr im Vorzimmer, sondern wird direkt in eine Conference Area geführt.
Trend aus Amerika
"Vor 20 Jahren waren Law firms in Österreich undenkbar", erzählt Raoul Hoffer, Partner der Wirtschaftskanzlei Binder Grösswang bei einer Veranstaltung des Club Cuvée. Der Trend zur Großkanzlei kommt wie so oft aus Amerika. Auf die Ostöffnung allein will Hoffer das Größenwachstum von Kanzleien nicht zurückführen. Viel mehr kommt es auf die Bereitschaft an, international tätig zu sein, sich zu spezialisieren, aber den Mandanten trotzdem in allen Rechtsgebieten umfassend zu beraten.
Ein Grund für die Personalexplosion ist vor allem die amerikanische Art der Unternehmensübernahme (Mergers & Acquisitions), die eine Kernmaterie vieler Wirtschaftskanzleien darstellt. "Die Due Dilligence-Prüfung (sorgfältige Untersuchung, Anm.) eines Unternehmens ist sehr zeitintensiv und erfordert ein großes Team", sagt Hoffer.
Großkanzleien übernehmen heute Aufgaben, die mit der traditionellen Anwaltstätigkeit nichts mehr gemein haben, wie etwa Steuer- und Unternehmensberatung. "Wir gehen aktiv auf den Mandanten zu, machen ihn auf Probleme aufmerksam oder weisen ihn auf bestimmte Geschäftschancen hin", so Hoffer. Ein Trend: Betriebswirte werden verstärkt in Kanzleien integriert.
Komplexe Struktur
In der internen Struktur hat sich ebenfalls einiges verändert. Großkanzleien verfügen neben den herkömmlichen Rechtsabteilungen auch über Abteilungen für Umzüge, EDV, PR/Presse und Wissensmanagement.
Um im Ausland erfolgreich tätig zu sein, nennt Hoffer zwei Möglichkeiten: Entweder werden eigene Kanzleien gegründet, oder man sucht sich eine im entsprechenden Land ansässige spezialisierte Partnerkanzlei. Letzteres wird bevorzugt, da der Aufbau einer eigenen Kanzlei sehr kostenintensiv ist.
Keine Angst vor den "Law firms" haben Klein- und Mittelkanzleien. "Beide haben ihre Daseinsberechtigung", meint Rechtsanwalt Manfred Ainedter und sieht sich selbst lieber als "Einzelkämpfer". Die Tätigkeit in einer Großkanzlei sei im Grunde ein ganz anderer Beruf. Außerdem sei er als streitiger Anwalt krisenfester, denn Unternehmensübernahmen finden nur in wirtschaftlich guten Zeiten statt. Ähnlich argumentiert seine Kollegin Mirjam B. Sorgo, die Klein- und Mittelbetriebe von der Gründung bis zur Expansion betreut. "Auch eine Großkanzlei kann sich nicht auf alles spezialisieren", meint sie. Der Vorteil einer kleineren Kanzlei liegt für Sorgo in der höheren Lebensqualität und der Möglichkeit, den Arbeitsdruck besser steuern zu können.