Der Rechtsextremist Stephen Bannon wurde als Gastredner auf eine Konferenz in Budapest eingeladen.
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Budapest/Wien. Ob beim Parteitag des französischen Front National, bei einem Auftritt in Zürich oder einem Treffen mit der AfD-Fraktionsvorsitzenden: Stephen Bannon bringt sich immer stärker in Europa ein. Der Ex-Chefstratege von US-Präsident Donald Trump und vormalige Kopf des Rechtsaußen-Portals "Breitbart" versucht seine Vorstellung der USA als weißen, nationalistischen, autoritären, frauenfeindlichen und sozialdarwinistischen Hort auch nach Europa zu tragen. Nun ist erstmals eine regierungsnahe Organisation in der EU bereit, ihm diese Bühne zu bieten: in Ungarn.
Am Fuß der Budaer Burg wird Bannon am Mittwoch unter dem Titel "Trumps ,Amerika first‘-Politik und ihre Auswirkungen auf Mitteleuropa" sprechen. Sein Auftritt ist Teil der Konferenz "Die Zukunft Europas", die bis Donnerstag stattfindet. Teilnehmer sind auch Ungarns Außenminister Péter Szíjjártó und der Kanzleichef von Premier Viktor Orbán, Gergely Gulyas.
Bannons Auftritt kommt zum Ende der ungarischen Präsidentschaft innerhalb der Visegrád-Gruppe (V4) mit Tschechien, der Slowakei und Polen. Bis Juni hat Budapest den Vorsitz inne - und scheint erpicht darauf, noch ein Zeichen für den angestrebten Politikwechsel zu setzen. "Die Epoche der liberalen Demokratie ist zu Ende", sagte Orbán vor knapp zwei Wochen nach seiner Wahl zum Premier im Parlament.
"Kein Kommentar" zu Bannon
Formell ist die Stiftung zum Studium der Geschichte und Gesellschaft Mittel- und Osteuropas (KKETTK) Organisatorin der Konferenz. Geführt wird die regierungsnahe Einrichtung von der Historikerin Mária Schmidt, einer Vertrauten des Premierministers. Die Konferenzrechnungen begleicht wiederum das ungarische Außenministerium.
Ungarn spannt gleich implizit die anderen V4-Länder für seine Agenda ein. Auf der Konferenz-Webseite prangt groß das Logo der V4-Präsidentschaft, alle vier Staaten sind auf einer Karte hervorgehoben. Die Tagung beinhaltet auch den Programmpunkt "V4 - Motor der europäischen Wirtschaft". Bloß: "Es handelt sich um eine rein ungarische Veranstaltung. Wir wurden nicht bei den Einladungen beigezogen", sagt eine Sprecherin des tschechischen Außenministeriums zur "Wiener Zeitung". Sie betont, dass keine tschechischen Minister anwesend seien - wie auch im Falle der Slowakei und Polens. Bekanntester tschechischer Gast ist der frühere Premier und Präsident Vaclav Klaus. Das polnische Außenministerium gab keine Stellungnahme zu der Konferenz ab. Auf die Frage, was die Slowakei von der Einladung Bannons halte, gab sich der Sprecher des dortigen Außenministeriums wortkarg: "Kein Kommentar."
Wortgewaltig ist der zweite Gast der US-Rechtsaußenszene, der dieser Tage in Budapest halt macht: Milo Yiannopoulos. Der Provokateur trat 2017 bei "Breitbart" zurück, nachdem bekannt wurde, dass er Sex zwischen Männern und minderjährigen Burschen bagatellisiert hatte.
Im Jänner abgesagt
Eigentlich hätte der gebürtige Brite bereits im Jänner in Budapest sprechen sollen - ausgerechnet bei der Konferenz zur "Zukunft Europas". Als Yiannopoulos’ Auftritt bekannt wurde, mussten die Veranstalter aber einen Rückzug machen; die gesamte Tagung wurde verschoben. Nun spricht Yiannopoulos separat - jedoch auch auf Einladung der von Historikerin Schmidt geführten Stiftung.
Auf Anfrage der "Wiener Zeitung" dementierte die Regierungspressestelle ausdrücklich jede Beteiligung am Yiannopoulos-Event. Minister Gulyas, im Jänner Fraktionschef von Orbáns Partei Fidesz, hatte sich damals deutlich gegen Yiannopoulos’ Einladung ausgesprochen. Schwer akzeptabel müsste diese Personalie auch für Orbán selbst sein, der immer öfter vom Ziel einer "christlichen Demokratie" spricht, welche die "liberale Demokratie" ablösen soll. Möglicherweise will der Budapester Regierungschef mit diesem das Christentum bemühenden Diskurs der lauter werdenden Kritik aus der Europäischen Volkspartei entgegentreten, wo sich zuletzt sogar der gegenüber Orbán tolerante EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber warnend geäußert hatte.
"Kein Platz" für Journalisten
Dass Yiannopoulos nun trotzdem kommt, nimmt Mária Schmidt auf ihre Kappe. Schmidt ist seit Jahren eine Pro-Orbán-Ideologin, Gestalterin und Direktorin des Budapester Terrorhauses, das dessen Betreiber "Museum" nennen, obwohl es vor allem zur Inszenierung von Ideologie dient. Schmidt kann sich offensichtlich Exzentrizität wie einen Yiannopoulos-Event leisten, weil sie andererseits publizistisch die Keulen für Orbán schwingt, etwa über die Zeitschrift "Figyelö", deren Miteigentümerin sie ist. Das Medium veröffentlichte vor einigen Wochen eine Liste von 200 vermeintlichen "Söldnern" des ungarischstämmigen Hedgefond-Managers und Philanthropen George Soros.
Stolz preist ihre Stiftung jetzt den rechten Exzentriker an, der unter dem Titel "Gefahren und Chancen im 21. Jahrhundert" im Pester Konferenzzentrum Bálna seine Rede halten soll. "Der von Feministen über Islamisten bis hin zu linksgerichteten Totalitären meistgehasste Gegner Milo ist bereit dazu, Ungarn zu erobern", und zwar "mit seinem kompromisslosen Auftreten gegen das liberale Establishment", heißt es auf der Webseite des Events. Yiannopoulos sei bereit "in dem kulturellen Kampf, in dem er einer der Vorkämpfer ist, ein neues Schlachtfeld" zu eröffnen.
Bei beiden Veranstaltungen wollen Orbáns Freunde offenbar unter sich sein. Vielen kritisch über Ungarns Regierung berichtenden Journalisten wurde die Teilnahme verweigert, offiziell "aus Platzgründen".