Jobbik-Chef leistet Eid in verbotener Uniform-Weste. | Budapest. Bei der konstituierenden Sitzung des ungarischen Parlaments geriet es fast zur Nebensache, dass Staatspräsident László Sólyom Viktor Orbán zum neuen Ministerpräsidenten vorschlug. Der Chef des konservativen Fidesz, dessen Partei künftig mit einer satten Zweidrittelmehrheit regiert, wurde stattdessen von der rechtsextremen Jobbik-Partei provoziert.
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Im Vorfeld der Sitzung hatte die ungarische Öffentlichkeit heftig darüber debattiert, was zu tun sei, wenn Abgeordnete des Jobbik, nunmehr drittstärkste Kraft, im Parlament in der Uniform des paramilitärischen Arms ihrer Partei, der Neuen Ungarischen Garde, erscheinen würden. Die Fraktion der sozialistischen MSZP hatte für diesen Fall angekündigt, den Sitzungssaal geschlossen zu verlassen. Am Ende kam Gábor Vona zwar im dunklen Anzug, den Eid auf die Verfassung legte er aber in der Garde-Uniform-Weste, die er unter dem Sakko getragen hatte, ab. Zuvor provozierten die Jobbik-Abgeordneten mit der Ableistung eines Eids auf die Stephanskrone, das bedeutendste Staatssymbol Ungarns. Staatspräsident Sólyom ermahnte die Rechtsextremen, die Vorgaben der Verfassung für politische Parteien zu achten. Andernfalls könne ihre Immunität nicht gewahrt werden.
Nationalitäten-Streit
Zuvor hatte die slowakische Regierung in Bratislava deutliche Warnschüsse Richtung Budapest abgegeben. Am Mittwoch war es nach einem informellen Treffen des slowakischen Außenministers Miroslav Lajcak mit seinem ungarischen Amtskollegen János Martonyi in Bratislava zum Eklat gekommen. Denn die Slowaken werten die Pläne des Fidesz, eine doppelte Staatsbürgerschaft für Auslandsungarn einzuführen, als möglichen Eingriff in ihre Souveränität. Der slowakische Premier Robert Fico drohte damit, Slowaken künftig ihre bisherige Staatsangehörigkeit zu entziehen, wenn sie die ungarische Staatsbürgerschaft erhielten. Nach slowakischem Recht sind Doppelstaatsbürgerschaften möglich. Im Anschluss an eine Sondersitzung des Kabinetts kündigte Fico gestern die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats für dieses Wochenende an, weil das ungarische Vorgehen ein Sicherheitsrisiko für die Slowakei darstelle.
Die Slowakei will zudem bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Beschwerde gegen Ungarn einlegen. Beobachter in Bratislava bringen Ficos heftige Reaktionen vor allem mit den Parlamentswahlen am 12. Juni in Zusammenhang. Seine Partei Smer-SD fiel zuletzt in der Wählergunst um knapp 6 Prozent auf 38,4 Prozent. Premier Fico versucht jetzt offenbar, nationalistisch gesinnte Wähler zu mobilisieren.