Zum Hauptinhalt springen

Rechtsliberale und PvdA legen im Wahlkampf zu

Von WZ-Korrespondent Frederik Hartig

Europaarchiv

Voraussichtlich schaffen diesmal elf Parteien den Sprung ins Parlament.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Amsterdam. Nachdem der Rechtspopulist Geert Wilders im April dieses Jahres der Regierungskoalition die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte, musste Premierminister Mark Rutte nach nur anderthalb Jahren Amtszeit den Rücktritt seines Kabinetts einreichen. Nun sollen die Niederländer am 12. September ein neues Parlament wählen.

Noch vor wenigen Tagen sagten Demoskopen eine knappe Entscheidung zwischen der Sozialistischen Partei (SP) und der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) voraus. Seitdem haben die Sozialisten einige Prozentpunkte verloren, die sozialdemokratische Arbeiterpartei (PvdA) hingegen konnte deutlich aufholen und liegt seit der letzten Umfrage vom 31. August beinahe gleichauf mit der SP. Die starken Verschiebungen deuten an, wie viele Niederländer noch zweifeln, welcher Partei sie ihre Stimme geben sollen. Dass zwei so gegensätzliche Parteien wie die rechtsliberale VVD und die sozialistische SP hoch in den Umfragen stehen, zeigt, wie gespalten die Niederländer über den richtigen Ausweg aus der Krise denken.

Unabhängig davon, welche Partei als Sieger aus der Wahl hervorgeht, könnten noch einige Wochen und Monate bis zur Vereidigung der neuen Regierung vergehen. Nach den Wahlen 2010 benötigte Premierminister Rutte 127 Tage, um eine Minderheitsregierung aus VVD und dem Christdemokratischen Appell (CDA) unter Duldung der rechtspopulistischen Partei für die Freiheit (PVV) zu formen. Dieses Mal könnte sich die Regierungsbildung noch schwieriger gestalten, denn es ist gut möglich, dass der zukünftige Premier einen Koalitionsvertrag unter mindestens vier Parteien aushandeln muss.

Bis das neue Kabinett feststeht, führt die Minderheitsregierung unter Mark Rutte die Amtsgeschäfte weiter. Rechtlich gesehen ist so eine Übergangsregierung voll handlungsfähig. In der politischen Praxis der Niederlande ist es allerdings üblich, dass diese sich ausschließlich um laufende Regierungsangelegenheiten kümmert und kontroverse Entscheidungen dem nächsten Kabinett überlässt. Sollten die Koalitionsgespräche längere Zeit in Anspruch nehmen, würden die dringend benötigten innenpolitischen Reformen weiter verzögert. Auch die Regierungschefs der europäischen Länder erwarten mit Spannung, welchen Kurs die Niederlande nach der Wahl einschlagen werden. Die Europapolitik und der Umgang mit der Staatsverschuldung gehören zu den zentralen Themen im Wahlkampf. Eine neue Regierung mit einer klaren Linie ist für die Bekämpfung der Euro-Krise dringend gefordert.

Verursacht wird die Zersplitterung des Parteienspektrums zum einen durch das niederländische Wahlrecht, das keine Sperrklausel vorsieht. Zehn Parteien sind derzeit in der Zweiten Kammer in Den Haag vertreten, Demoskopen sagen den Einzug einer weiteren voraus.

Doch auch mit einer Hürde von vier Prozent wären im derzeitigen Parlament sieben Parteien vertreten. Es gibt keine großen MitteParteien, denen es gelingt, einen umfangreichen Teil der Wähler an sich zu binden. Vor allem der mitgliederstarke CDA kann immer weniger auf eine breite Stammwählerschaft rechnen. Bei den letzten Wahlen hatten die Christdemokraten die Hälfte ihrer Sitze verloren und befinden sich seitdem in einem historischen Tief.

Wie schnell die neue Regierung gebildet wird, hängt letztendlich von der Kompromissbereitschaft und dem Willen der Verhandlungspartner ab.