)
Den Haag - Asylsuchenden schlägt Pim Fortuyn vor, mit einem Zelt und ein wenig Nahrung in eines ihrer Nachbarländer zu gehen, statt in die Niederlande zu flüchten. Den Islam bezeichnet er als "zurückgebliebene Kultur" und stellt ihm "das Licht" der westlichen Gesellschaft entgegen. Sein zentraler Slogan lautet schlicht: "Die Niederlande sind voll." Und der Politiker hat Erfolg damit. Bei der Parlamentswahl am 15. Mai ist nach den Ergebnissen in Dänemark und Frankreich nun auch in den Niederlanden ein Rechtsruck zu erwarten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Umfragen prophezeien Fortuyns vor wenigen Monaten gegründeter Partei "Liste Pim" bereits knapp 25 der 150 Sitze im niederländischen Parlament, was sie zur zweit- oder wenigstens drittstärksten Kraft machen würde. Der niederländische Journalist Paul Scheffer geht noch weiter. Er fürchtet, dass die Umfragen zum wiederholten Mal nicht die realen Verhältnisse widerspiegeln könnten. "Ich würde nicht ausschließen, dass die Partei zur stärksten Kraft wird", meint er. Scheffer bezieht sich auf die Kommunalwahlen in Rotterdam, wo die Partei des bekennenden Homosexuellen Fortuyn im vergangenen März mehr als 30 Prozent der Stimmen erhalten hatte und am Ende auf 17 Sitze kam. Umfragen hatten ihr vorher lediglich acht Sitze vorausgesagt.
Die niederländischen Kommentatoren "haben Frankreich nach dem Ergebnis von Jean-Marie Le Pen im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl nicht dämonisiert", bemerkte ein Journalist der niederländischen Tagezeitung "Trouw". Er glaubt zu wissen, weshalb: "Weil sie wissen, dass Pim Fortuyn in drei Wochen den nächsten Schock in Europa auslösen könnte."
Der Rechtsextremismus des studierten Soziologen Fortuyn speist sich allerdings - im Gegensatz zu dem des rechtsradikalen französischen Präsidentschaftsbewerbers Le Pen - nicht aus der Weltkriegsnostalgie faschistischer Bewegungen und antisemitischen Reminiszenzen. Aber genau wie Le Pen macht auch Fortuyn mit Parolen gegen Einwanderer Stimmung. "Ein Großteil der Niederländer kann sich heute mit dem Motto 'Die Niederlande sind voll' identifizieren", glaubt Scheffer. Dabei sei dies ein Slogan, der in dem Land "vor 20 Jahren undenkbar" gewesen sei.
"Eigentlich funktioniert es recht gut mit den verschiedenen Minderheiten", meint der Rotterdamer Politologe Han Entzinger. Trotzdem sind sich die Beobachter einig, dass es die Tiraden gegen Einwanderer sind, mit denen Fortuyn seine Wähler anlockt. Entzigers Kollege Jean Tillie von der Uni Amsterdam meinst, dass die Niederländer die Einwanderung als "eine Bedrohung für ihre persönlichen Interessen" empfänden. Verstärkt werde dies seit den Terroranschlägen des 11. September in den USA noch durch eine allgemeine Abneigung gegen Ausländer, die die Wähler in die Arme von Fortuyn treibe.