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Rechtspopulisten sind Zünglein an der Waage

Von Thomas Borchert Oslo

Politik

· Auch in Norwegen können ausländerfeindliche Rechtspopulisten demnächst das Zünglein an der Waage bei einem immer wahrscheinlicher werdenden Regierungswechsel werden. Nachdem die | oppositionellen Sozialdemokraten in Oslo dank eines Wechsels an der Parteispitze derzeit bei Umfragen steil nach oben stürmen, erwarten Beobachter in absehbarer Zeit einen Anlauf des neuen | Fraktionschefs Jens Stoltenberg zum Sturz der Minderheitsregierung unter dem Christdemokraten Kjell Magne Bondevik.


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Von der Parteibasis wird gefordert, sich dabei als Mehrheitsbeschafferin ruhig der rechtspopulistischen Fortschrittspartei zu bedienen.

Diese Partei war mit ihrem wortgewandten Chef Carl I. Hagen bei den letzten Wahlen 1997 zweitgrößte Partei im Osloer "Storting" mit 15,3 Prozent hinter den Sozialdemokraten (35 Prozent) geworden.

Danach löste Bondevik mit seinen Partnern vom Zentrum und den Liberalen ("Venstre") die sozialdemokratische Minderheitsregierung ab und hatte keine Bedenken, mit Hilfe der Fortschrittspartei

Mehrheiten für den Haushalt zu sichern. Die Koalition, die selbst nur über 42 von 165 Mandaten verfügt, lavierte zwei Jahre lang mit wechselnden Mehrheiten, beachtlichem Geschick und viel Glück durch

den parlamentarischen Alltag.

Die Verbindung zu Hagens Partei blieb dabei vor allem kühl, weil Bondeviks Regierung eine Liberalisierung der Asylpolitik als eines ihres wichtigsten Projekte betrieb. Hagen murrte immer wieder

öffentlich, dass die Zahl der jährlich einreisenden Asylbewerber in Norwegen seit dem Antritt der von ihm mitgetragenen Regierung von 2.000 auf 8.000 gestiegen sei.

Als nun die Sozialdemokraten letzte Woche den charmanten Medienliebling und Demoskopie-Star Stoltenberg anstelle des unpopulären Partei-Apparatschiks Jagland zu ihrem Spitzenmann kürten, drehte sich

der politische Wind in Norwegen sehr schnell. Die "Arbeiderpartiet" stieg in Umfragen von 28 auf 35 Prozent. Kommentatoren nannten es eher eine Frage von Wochen denn von Monaten, wann

Bondevik für Stoltenberg das Büro des Ministerpräsidenten mit herrlichem Blick auf den Oslo-Fjord räumen muss.

Bei der entscheidenden Abstimmung im "Storting" können die 25 Abgeordneten der Fortschrittspartei von ausschlaggebender Bedeutung sein. Dies gilt vor allem für einen Streit um den Bau von

Gaskraftwerken, den Bondeviks Regierung strikt ablehnt, Sozialdemokraten und Fortschrittspartei aber gemeinsam befürworten.

Die Arbeiterpartei würde den Schritt zur Macht nach einer parlamentarischen Niederlage der Regierung in dieser Frage akzeptieren, will aber danach keine feste Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten

eingehen. Hagen seinerseits würde lieber eine Bondevik-Regierung als eine mit Stoltenberg sehen, will das aber nicht zum Dogma erklärt wissen.

Die ganz große Erregung ist in der politischen Debatte in Norwegen nicht mehr auszumachen, wenn es um die fast völlig etablierte Rolle der Rechtspopulisten im politischen Alltag geht. Zwar meinte

Jagland zum Streit um die Regierungsbildung in Österreich, Hagens Menschenbild sei genauso schlimm wie das von Haider. Das hindert seine sozialdemokratischen Parteikollegen in Gemeinden und Bezirken

aber nicht, mit der Fortschrittspartei zu kooperieren.