EU-Wahl: Ungarns Premier Viktor Orbán startet Feldzug gegen Jobbik.
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Budapest. Kritik des Westens hat Viktor Orbáns Popularität zu Hause immer wieder gefördert. Jetzt bekam Ungarns rechtsnationaler Regierungschef erneut ungewollt Hilfe aus dieser Richtung: Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg beanstandete, dass in Ungarn lebenslängliche Haftstrafen in jedem Fall tatsächlich abgesessen werden müssen - ohne die anderswo übliche Prüfung der Möglichkeit einer vorzeitigen Haftentlassung. Dies gab Orbán Gelegenheit zu neuer Schelte gegen den Westen: "Dies ist der jüngste Beweis dafür, dass in Brüssel und in Straßburg, in der Europäischen Union, die Rechte der Kriminellen mehr zählen als jene der Opfer und der Unschuldigen", schimpfte er.
Das Thema hilft Orbán auch bei seinem jüngsten Feldzug gegen die rechtsradikale Partei Jobbik, die die Wiedereinführung der Todesstrafe verlangt. Jobbik könnte Umfragen zufolge aus der EP-Wahl als zweitstärkste Kraft Ungarns hervorgehen und damit die links-liberale Opposition auf den dritten Platz verweisen. Vor der Wahl im April, die Orbáns rechtsnationaler Partei Fidesz eine Zweidrittelmehrheit im Parlament einbrachte, war Jobbik für den Regierungschef kein Thema. Dies hat sich jetzt durch die neuen Umfragewerte geändert. Daher kam es zu einem Coup gegen Jobbik: Plötzlich wurden angebliche Spionagevorwürfe gegen den Jobbik-EU-Parlamentarier Béla Kovács bekannt. Kovacs, der wieder für das EU-Parlament kandidiert, soll für Russland spioniert haben. Jobbik pflegt gute Beziehungen zu Putins Russland, zudem hat der Jobbik-Mann in der KGB-Kaderschmiede studiert.
Widersprüche
Allerdings sprechen die Umstände von Kovács angeblicher Enttarnung gegen den Verdacht: Die regierungsnahe Tageszeitung "Magyar Nemzet" veröffentlichte die Information als erste, teilweise aus inoffiziellen Quellen. Die Staatsanwaltschaft bestätigte lediglich, die Aufhebung von Kovács Immunität beantragt zu haben - ohne die Straftat zu nennen, um die es geht. Ist eine derartige Show die übliche Art, Spione unschädlich zu machen? Warum sollte Moskau einen "Spion" beschäftigen, über den die Spatzen vom Dach pfeifen, dass er Beziehungen zu Russland hat? Er hatte bei Jobbik sogar einen dazu passenden Spitznamen: "K.G.-Béla". Kovács bestritt die Vorwürfe umgehend. Orbán aber holte genüsslich aus: Gerade eine Partei wie Jobbik, die sich als national bezeichne, wolle mit Leuten wie Kovács "Landesverräter" nach Brüssel schicken, sagte er.
Dabei steht der rechtsradikale Jobbik mit seiner Russland-Affinität nicht allein da - Ministerpräsident Orbán ist mit dabei. Anfang 2014 schloss er mit Putin einen Milliardendeal zum Ausbau des Atomkraftwerks Paks ab. In der Ukraine-Krise kam kein Wort der Kritik an Putin von Orbán. Stattdessen drosch er auf die Ukraine ein, da diese den in der Ukraine lebenden ethnischen Ungarn angeblich Autonomierechte verweigere.