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Hollandes Sozialisten verlieren die Mehrheit im Senat - Politiker des Front National erobern zwei Sitze.
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Paris. Für Frankreichs Sozialisten und vor allem für François Hollande war es bereits das dritte Wahldebakel in Folge: Am Sonntag gelang es der konservativ-bürgerlichen Opposition, das Oberhaus zurückzuerobern. Und erstmals in seiner 40-jährigen Geschichte schaffte der Front National (FN) den Einzug in den Senat. Die Partei von Marine Le Pen eroberte bei den Senatswahlen zwei von 348 Sitzen.Die Sozialisten verloren 20 Mandate.
Der FN feiert den Sonntag als "historischen Erfolg". Die Rechtspopulisten verdanken ihn dem erst 26-jährigen David Rachline, seit den Kommunalwahlen im März Bürgermeister von Fréjus bei Nizza, und Stéphane Ravier, Stadtteilbürgermeister von Marseille. Jetzt verbleibe nur noch eine letzte Türe, die seine Partei aufstoßen wolle, erklärte Ravier: die zum Élysée-Palast, also zur Präsidentschaft des Landes. Diese wird Le Pen zwar vorerst nicht öffnen. Doch ihr selbst erscheint kein Ziel unerreichbar, nachdem sie bei den Präsidentschaftswahlen 2012 mit 17,9 Prozent der Stimmen den dritten Platz erreichte, ihre Partei seither in die Nationalversammlung einzog und bei den Europawahlen im Mai sogar stärkste Kraft wurde. Mit ihrer europa- und ausländerfeindlichen Polemik und dem Eintreten für die "kleinen Leute" trifft die 46-Jährige einen Nerv in Frankreich. Dort ist die Verdrossenheit über die Wirtschaftskrise groß, viele Menschen plagen Abstiegsängste, besonders junge Leute fühlen sich von der ultrarechten Alternative angezogen.
Die Stärke des FN erklärt sich aber auch aus der Schwäche der anderen. Zentrumspartei, Linke und Grüne wirken zerstritten und inhaltlich unscharf. Auch die bürgerlich-rechte UMP fällt als konstruktive Opposition aus, da sie in erster Linie mit ihren Finanzierungsskandalen und internen Machtkämpfen beschäftigt ist. Diese werden noch verschärft durch das Comeback von Nicolas Sarkozy, der den Vorsitz der UMP übernehmen und bei der Präsidentschaftswahl 2017 erneut als deren Kandidat antreten will. Er gilt zwar als mitreißender Wahlkämpfer, ist aber in eine Reihe Affären verstrickt und aufgrund seiner bescheidenen Bilanz in der Bevölkerung, aber auch der eigenen Partei umstritten.
Immerhin profitiert die UMP nun von der Niederlage der Regierungspartei. Der Verlust der Mehrheit im Senat wird das Gesetzgebungsverfahren erschweren, zumindest verlangsamen. Das letzte Wort behält die Nationalversammlung, die in der Hand der Sozialisten bleibt. Doch ein Teil von ihnen will das Sparprogramm von Präsident Hollande nicht mehr mittragen.
Aus Sicht Berlins und Brüssels wiederum gilt Hollandes Vorgehen als viel zu zaghaft, um den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme tiefgreifend zu modernisieren und den Schuldenberg endlich zu verringern. Dort hat enttäuscht, dass Frankreich auch in diesem und nächstem Jahr das Ziel des EU-Stabilitätspaktes verfehlen wird. Bei seinem Berlin-Besuch vor einer Woche überzeugte Regierungschef Valls wenig mit seiner Versicherung, Frankreich werde sich zuverlässig reformieren und sparen zugleich. Man möchte jetzt Resultate sehen - im Ausland und in Frankreich selbst. Hollande selbst stellte bereits klar, dass er an seinem Reform- und Sparkurs festhalten will - auch wenn seine Machtbasis weiter bröckelt.