Mehr Macht für den Staatsanwalt. | Bei "Promiparagraf" muss Gericht einschreiten. | Wien. Die neue Strafprozessordnung (StPO) sorgt noch vor in Kraft treten im Jänner 2008 für hitzigen Gesprächsstoff. Wie sieht der Rechtschutz nach der Reform aus und wie verträgt sich die neue Macht des Staatsanwaltes mit einer unabhängigen Justiz? Diese Fragen diskutierten Experten am Dienstag im Rahmen des Rechtsschutztages im Innenministerium.
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Die StPO verteilt die Rollen im Vorverfahren neu: Der Staatsanwalt übernimmt die Leitung der Ermittlungen, lässt durch die Kriminalpolizei Beweise erheben oder ermittelt selbst. Er alleine entscheidet über Anklage, Diversion oder Verfahrenseinstellung. Damit wird der Untersuchungsrichter durch den Staatsanwalt, einem weisungsgebundenen Verwaltungsorgan, abgelöst.
Kein rechtsstaatlicher Supergau
Walter Geyer, leitender Staatsanwalt, sieht darin keinen rechtsstaatlichen Supergau. "Das Gesetz ist klar formuliert, indem es die Verantwortung über das Vorverfahren demjenigen überträgt, der auch über das Ergebnis entscheidet." In "glamourösen" Fällen zwingt ein "Promiparagraph" den Staatsanwalt ohnehin, gerichtliche Ermittlungen zu beantragen.
Die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei ist eine Sonderform der Amtshilfe, meint der Polizeijurist Gerhard Pürstl. Eine Weisungsbefugnis des Staatsanwaltes an die Polizei sieht er darin nicht, denn zwischen beiden Behörden muss laut Gesetz "Einvernehmen hergestellt werden".
Kritik am neuen Rechtsschutzsystem für kriminalpolizeiliche Handlungen kommt vom Rechtsanwalt und Strafrechtsexperten Richard Soyer, der dieses als "unzureichend" bezeichnet und sich eine Nachjustierung wünscht. Soyer befürchtet, dass die Verletzung subjektiver Rechte nicht hinreichend geahndet werden kann. Es gäbe zahlreiche Einschränkungen mit einem weiten Ermessensspielraum und unbestimmten Gesetzesbegriffen. "Das sind zahnlose Gummiparagraphen und kein normatives Recht." Der Rechtsanwalt begrüßt zwar die erweiterten Beratungs- und Beweisantragsrechte, aber durch zahlreiche Vorbehalte sind auch diese eine stumpfe Waffe geworden.
Amtshaftungsklage künftig erschwert?
Auch für Pürstl hat der Rechtschutz in der Reform "Einbußen erlitten". Über Einsprüche von Beschuldigten entscheidet nämlich zuerst der Staatsanwalt. Wenn dieser den Einspruch ablehnt, kann der Betroffene die gerichtlichen Instanzen bis ans Oberlandesgericht ausschöpfen. Bejaht der Staatsanwalt allerdings eine Verletzung, gibt es keine Möglichkeit auf Überprüfung. Fraglich bleibt dann, ob aufgrund der Entscheidung des Staatsanwaltes eine Amtshaftungsklage durchgesetzt werden kann.
Als längst überfällig erachten die Diskutanten die gesetzliche Neuregelung der Ermittlungsmethoden. So sind verdeckte Ermittlungen nicht mehr auf die Bekämpfung der Drogenkriminalität beschränkt, und bei Observationen dürfen künftig auch Peilsender verwendet werden. Der Abschluss von Scheingeschäften - zum Beispiel der Kauf von Suchtmittel durch einen Polizisten zur Überführung des Dealers - wird gesetzlich verankert und soll zulässig sein, wenn die Aufklärung eines Verbrechens ansonsten wesentlich erschwert wäre.
Die Bestimmungen über Lauschangriff und Rasterfahndung (mit richterlicher Bewilligung) werden übernommen. Der Rechtschutzbeauftragte Gottfried Strasser fordert darüber hinaus auch eine Normierung der Onlineüberwachung im Strafprozess.